Verfassungsschutz: Fromm ist bloß ein Sündenbock
Mit seinem Rücktritt als Präsident des Verfassungsschutzes hat Heinz Fromm dem Land seinen letzten Dienst erwiesen. Bei dem Nachrichtendienst gibt es viele Mängel, die abgestellt werden müssen. Abgeschafft gehört er aber nicht.
Das sind bittere Monate für die deutschen Sicherheitsbehörden – und damit für das ganze Land. Seit November, seit dem dramatischen und doch eher zufälligen Ende der Bande „Nationalsozialistischen Untergrund“ , wird die Bundesrepublik mit unfassbaren Mängeln beim Verfassungsschutz und auch bei Polizei und Justiz konfrontiert. Die jetzt bekannt gewordene Vernichtung von Dokumenten im Bundesamt für Verfassungsschutz ist nur ein weiterer Höhepunkt einer Serie von Desastern. Immerhin hat jetzt einer der vielen Verantwortlichen die Konsequenz gezogen und seinen Posten aufgegeben. Heinz Fromm, seit zwölf Jahren Präsident des Verfassungsschutzes, gibt gravierende Fehler in seiner Behörde zu und geht, anstatt die letzten Monate bis zu seiner Pensionierung stur auszusitzen.
Das hätte auch nicht zu ihm gepasst, einem weithin anerkannten Fachmann, der als kompetent und integer gilt. Mit seinem Abgang nimmt Fromm sogar das Risiko auf sich, als Symbolfigur des Scheiterns der Sicherheitsbehörden im Fall NSU zu enden. Da hat sich einer wohl als Sündenbock zur Verfügung gestellt. Andere aus dem Führungspersonal von Verfassungsschutz, Polizei und Justiz bieten vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages erbärmliche Auftritte und räumen die Posten trotzdem nicht. Fromm hingegen bekennt sich zu seiner Verantwortung und erweist so dem Land seinen letzten Dienst. Das ist ehrenwert. Aber passieren muss mehr.
Die Gemeinschaft der 17 Verfassungsschutzbehörden hat Reformen nötig. Der Nachrichtendienst kann nicht so weitermachen wie bisher. Der Verlust des öffentlichen Vertrauens in die Behörden hat ein Ausmaß angenommen, das Korrekturen erzwingt. Wohlgemerkt: Korrekturen, keinen Knockout. Wer den Verfassungsschutz abschaffen will, ignoriert nicht nur dessen Leistungen und Erfolge. Viele werden nie bekannt, um Leib und Leben von Mitarbeitern und Informanten zu schützen. Den Nachrichtendienst aufzulösen, würde zugleich bedeuten, den Blick in die trüben Milieus von Extremisten und Spionen aufzugeben. Neonazis, Islamisten, Autonome und die von China, Russland und anderen Staaten geschickten Räuber geistigen Eigentums würden sich freuen. Der Verzicht auf den Verfassungsschutz wäre für die innere Sicherheit verheerend, ja, trotz allem. Und eine Zusammenlegung mit der Polizei kann niemand wollen, der das Trennungsgebot achtet.
Video: Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm gibt auf
Über Korrekturen allerdings muss gesprochen werden. Einiges ist schon geschehen, so die Verbesserung der Zusammenarbeit mit der Polizei durch den Aufbau des Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus. Aber notwendig erscheint auch, dass der Verfassungsschutz einer stärkeren Kontrolle unterworfen wird. Es gibt einen interessanten Vorschlag, den ausgerechnet ein ehemaliger Nachrichtendienstler gemacht hat, der Ex-Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes und heutige Bundesanwalt Hans-Jürgen Förster. Er fordert, den Einsatz von V-Leuten und anderen nachrichtendienstlichen Mitteln an die Genehmigung eines Richters zu koppeln. Damit würde die parlamentarische Aufsicht ergänzt. Für den Verfassungsschutz könnte ein richterlicher Vorbehalt die Gefahr verringern, mit riskanten Operationen in eine rechtliche Grauzone zu geraten. Mehr Rechtssicherheit würde außerdem das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Nachrichtendienst wieder stärken. Da wäre zu vernachlässigen, dass mancher Verfassungsschützer eher murrend einem Richter Rede und Antwort stünde.
Andere Vorschläge, die jetzt zu hören sind, wirken hingegen halbgar. Die föderale Struktur des Verfassungsschutzes aufzugeben, würde bedeuten, das Bundesamt aufzublähen. Auch diese Super- Behörde käme dann wahrscheinlich nicht ohne regionale Dependancen aus, die aber als Ableger einer Institution des Bundes der Kontrolle durch die Landtage entzogen wären. Der inneren Sicherheit ist vermutlich mehr gedient, über die Zukunft des Verfassungsschutzes kühl und abgewogen zu debattieren. Auch wenn es in diesen Monaten schwerfällt.
Frank Jansen