Rot-Grün in Berlin: Einer muss verlieren
Die Grünen spielen auf Zeit - und Klaus Wowereit treibt die Demütigung seiner künftigen Partner munter voran. Im Streit um den Weiterbau der A 100 wird keine Realpolitik gemacht, sondern Realsatire.
SPD und Grüne haben noch nicht damit begonnen, über einen Koalitionsvertrag zu verhandeln, schon zeichnet sich ab: Da wird keine Realpolitik gemacht, sondern Realsatire. Dazu muss man sich nur mal anschauen, was beide Parteien nach den Sondierungsgesprächen als Ergebnis präsentierten, vor allem zur Frage des Autobahnbaus. Der ist, nach Einschätzung der Grünen, „ein dicker Brocken“. Diese gerade mal 3,2 Kilometer sind zu einem zentralen Punkt der Verhandlungen geworden, und das in einer Stadt mit fast 64 Milliarden Schulden, mit riesigen Aufgaben, Risiken und Chancen. Deswegen hat man sich auch noch auf „gemeinsame Anstrengungen“, „intelligente Lösung“ und ähnliche selbstverständliche Sensationen geeinigt.
Bei der Autobahn war die Ausgangslage klarer, und zwar: unvereinbar. Klaus Wowereit hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass mit ihm die A 100, so wie im Bundesverkehrswegeplan festgelegt, verlängert wird. Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hatte dagegen in einem letzten Versuch, Wähler zu mobilisieren, allen versichert: „Wir werden keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, der den Weiterbau der Stadtautobahn A 100 zum Inhalt hat.“
Nun besteht Politik zwar aus Kompromissen. Aber eine Autobahn zu bauen, ohne eine Autobahn zu bauen, das geht eben nicht. Wer sich so festlegt wie die Grünen, also nicht nur eine Haltung bezieht, sondern Bedingungen diktiert, der sieht selbst bei einem guten Kompromiss schlecht aus. Doch nicht einmal den gibt es hier, auch wenn die Grünen behaupten: „Wir haben … einen Kompromiss errungen, der die Kernanliegen beider Partner berücksichtigt …“ Dabei weiß jeder: Das kann gar nicht sein.
Legt es Wowereit auf ein Scheitern an? Lesen Sie weiter auf Seite 2.
Was die Grünen da als „Kompromiss“ verkaufen wollen, ist Kokolores. „Aktiv und ernsthaft“ soll sich die Koalition dafür einsetzen, dass die Bundesmittel, die zum Autobahnbau bereitgestellt werden, „umgewidmet“, also zur Sanierung bestehender Straßen verwendet werden. Das kann man sich lebhaft vorstellen, wie der rot-grüne Senat die schwarz-gelbe Mehrheit im Bund davon überzeugt, 420 Millionen Euro mal eben anderswo in Berlin zu verbuddeln. Darauf werden der CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer und die Fraktionen von Union und FDP gerade gewartet haben, so zwischen zwei Abstimmungen über Euro-Rettungsschirme Sonderwünsche einer Berliner Koalition zu erfüllen, die in dieser Konstellation 2013 die Regierung Merkel ablösen will.
Die Grünen setzen auf Zeit und behaupten, eine Entscheidung im Bund könne nicht vor 2013 fallen. Dahinter steckt die Hoffnung, eine rot-grüne Bundesregierung könnte die Dinge anders sehen. Wowereit aber erklärt cool, es werde schnell entschieden, schon 2012, zudem sei er skeptisch, dass die Umwidmung erreicht werden kann: „Wenn das nicht gelingt, wird gebaut!“ Und schöne Grüße an die Grünen, die am Freitag über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen befinden wollen. Man könnte fast meinen, Wowereit lege es auf ein Scheitern an. Jedenfalls treibt er die Demütigung seines künftigen Partners munter voran, und das bei nur einer Stimme über der Mehrheit.
Die SPD hat der Vereinbarung einen Satz hinzugefügt, den sie als logische Folge sieht: „Lässt sich eine Umwidmung der Bundesmittel nicht erreichen, steht die Koalition zum Weiterbau der BAB 100.“ Sie steht. Müssen wir da noch einmal Volker Ratzmann zitieren? Einer wird verlieren. Die Grünen wollen mitregieren – jetzt aber unbedingt.