EEG-Reform: Ein Rückschritt für die Energiewende
Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist ein Rückschritt, meint unser Autor. Statt Deregulierung braucht der Energiesektor harte Beschlüsse - so wie in den USA.
Im Jahre 1563 verabschiedeten die schottischen Lords in Edinburgh ihr erstes Gesetz zur Energiewende. Die Parlamentarier waren – genau wie die Bundestagsabgeordneten am heutigen Freitag in Berlin – getrieben von der Sorge, dass der fossile Brennstoff Kohle nicht endlos verfügbar sein könnte. Der Brennstoff war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Britannien für jedermann erschwinglich geworden.
Diesen Fortschritt wollte man nicht gefährden, indem man zuließ, dass die wachsende Nachfrage einen Mangel und dadurch steigende Preise auslöst. Da beschloss das Parlament schlicht und einfach: Die Kohle darf nicht exportiert werden.
Die Schotten – die im selben Jahr übrigens auch die Hexerei unter Strafe stellten – haben so die Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit von Primärenergie vorübergehend sichergestellt und damit immerhin zwei von drei Zielkriterien erreicht, die auch dem Energiekonzept der Bundesregierung zugrunde liegen. Dass die Abgeordneten, die heute mehrheitlich für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gestimmt haben, einen ebenso zielführenden Beschluss fassen, muss bezweifelt werden.
Die Energieversorgung ist unheimlich komplex
Keine Polemik. Es liegt nicht an mangelnder Kompetenz der deutschen Gegenwartspolitiker, sondern – auch wenn es trivial klingt – zunächst der gestiegenen Komplexität der Energieversorgung in mehrfacher Hinsicht: Technologisch geht es nicht nur um den immer noch wichtigsten Brennstoff Kohle, sondern auch um Erdgas, Kernkraft, Wasser- und Windkraft, Fotovoltaik, Biomasse, Erdwärme, Deponiegas – also um Brennstoffe oder Technologien, die sich bei der Stromerzeugung physikalisch mitunter nicht vertragen.
Dazu kommt die organisatorische Komplexität. In fast jeder Kommune, jedem Land, im Bund und nun auch bei der EU-Kommission versuchen Akteure, ihre Vorstellungen durchzusetzen, welche Technologie wie zu fördern sei.Am hinderlichsten aber ist, dass Deutschland versucht, ein wirres System zunehmend von der unsichtbaren Hand des Marktes steuern zu lassen.
„Energiewende-Paradoxon“ sorgt für offensichtliches Marktversagen
Die von der EU vorangetriebene Deregulierung, die in der Luftfahrt oder im Telekomsektor Fortschritte im Sinne der Verbraucher gebracht hat, erweist sich im Energiesektor als systemdestabilisierend. So gibt es an immer mehr Stunden im Jahr an den Strombörsen negative Preise. Da bezahlen Erzeuger ihre Kunden dafür, dass diese ihnen Strom abnehmen. Offensichtlich ist das Marktversagen auch beim sogenannten „Energiewende-Paradoxon“: Trotz eines stetig steigenden Anteils erneuerbarer Energien wird in Deutschland immer mehr besonders klimaschädliche Braunkohle verbrannt, da die Erneuerbaren sauberere Brennstoffe wie Erdgas aus dem Markt drängen.
Selbst im Energieministerium geht man davon aus, dass diese Novelle des EEG bestenfalls dazu geeignet ist, den Preisanstieg für Strom, den die Verbraucher jedes Jahr zu verkraften haben, zu dämpfen, aber nicht zu senken.
Mit dem neuen EEG wird der regulatorische Rahmen, in dem die Energiewende gelingen soll, eher lockerer als fester. Das ist ein Rückschritt im Fortschritt. Dabei bedürfte es klarer, mitunter harter Beschlüsse. Man blicke weniger ins mittelalterliche Schottland als ins Mutterland des freien Marktes: In den USA hat Obama den Versorgern harte Effizienzziele verordnet, bleibt aber sonst technologieoffen. Das Ergebnis. Die USA kommen allen drei Zielkriterien näher: Strom wird dort zunehmend billiger, besser verfügbar – und klimafreundlicher.