Energiewende: Bundestag beschließt EEG-Reform
Der Bundestag hat mit großer Mehrheit der umstrittenen Ökostromreform der Koalition zugestimmt. Jetzt fehlt nur noch eine Einigung mit Brüssel.
Für das zentrale schwarz-rote Regierungsprojekt votierten am Freitag 454 Abgeordnete mit Ja bei 583 abgegebenen Stimmen. Es gab 123 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen. Ob die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zum 1. August komplett umgesetzt werden kann, ist noch unsicher. Die EU-Kommission hat Einwände. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erwartet jedoch im Juli eine Lösung mit Brüssel. Davon hängen auch die Milliarden-Rabatte für die Industrie bei der EEG-Umlage ab. Am 11. Juli wird noch der Bundesrat die Reform beraten - die Länder wollen sie aber nicht blockieren.
Zuvor hatte Gabriel seine umstrittene Ökostromreform mit Kürzungen bei der Förderung in der Debatte im Bundestag verteidigt. Seit 2010 seien die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien um 200 Prozent gestiegen: "Wir haben drastische Fälle von Überförderung", sagte Gabriel am Freitag vor der Abstimmung über das Gesetzespaket. Die Ziele der Energiewende blieben ambitioniert. Die Erneuerbaren würden nicht abgewürgt. Die Kritik der Opposition, sie sei von der Koalition mit Änderungen in letzter Minute überrumpelt worden, wies der SPD-Chef zurück. Grüne und Linke wollten mit "Klamauk" nur verdecken, dass sie die Reformziele der Koalition eigentlich ganz gut fänden.
Die Opposition warf Gabriel vor, mehr die Interessen der Wirtschaft als die der Verbraucher im Blick zu haben. "Eine Strompreisbremse für die Verbraucher wird es nicht geben, aber eine Strompreisbremse für die Industrie", meinte Linken-Fraktionsvize Caren Lay. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden zahlt über die Stromrechnung derzeit netto 218 Euro EEG-Umlage im Jahr. Die Grünen attackierten den SPD-Chef persönlich. "Sigmar Gabriel ist die Abrissbirne, die die erneuerbaren Energien in diesem Land kaputtmacht", sagte Fraktionsvize Oliver Krischer. Gabriel verteidigte sich. Es sei Verleumdung, von einem Ausbremsen der Erneuerbaren zu sprechen. Der Bau neuer Windräder an Land von 2500 Megawatt pro Jahr bleibe ambitioniert. Die Kosten für mehr Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Biogas und Geothermie müssten aber sinken. Den Einwand aus Brüssel, ausländischer Importstrom müsse von der Ökostromumlage befreit werden, kann Gabriel nicht verstehen: "Das ist ein Irrweg, den wir nicht mitgehen können." Dennoch hält er eine Einigung mit den Wettbewerbshütern in den nächsten Wochen für möglich. Davon hängen die Rabatte von fünf Milliarden Euro für die Industrie bei der Umlage ab. Bei Verzögerungen könnten Unternehmen nicht mehr rechtzeitig Rabattanträge für 2015 stellen. Ohne Vergünstigungen seien Hunderttausende Jobs in Gefahr, warnt die Wirtschaft. Ein weiterer Konfliktpunkt mit Brüssel ist die Festlegung der Regierung, bestehende Strom-Selbstversorger weiter von der Umlage zu verschonen. Dies hat Brüssel nur bis Ende 2016 genehmigt. "Das ist keine wirklich gute Lösung, weil es Unsicherheiten schafft", gab Gabriel zu.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und er selbst würden bei der neuen EU-Kommission darauf dringen, dass es auch nach 2016 bei diesem Vertrauensschutz für Alt-Investoren bleibt. Für neue, größere Ökoenergie-Anlagen und neue Kraftwerke, in denen Strom für den eigenen Verbrauch produziert wird, werden künftig schrittweise bis zu 40 Prozent der EEG-Umlage von derzeit 6,24 Cent pro Kilowattstunde fällig. Bürger, die kleine Solaranlagen bis zehn Kilowatt Leistung auf ihr Dach setzen, sollen durch eine Bagatellgrenze von der Belastung ausgenommen werden. Seit Jahren versorgt sich die Wirtschaft immer stärker mit Strom aus eigenen Kraftwerken und umgeht so Abgaben.
Gabriel betonte, zur Ehrlichkeit gehöre, dass es noch viele Baustellen bei der Energiewende gebe. Trotz Ökostrom-Rekord steigt in Deutschland seit zwei Jahren der Treibhausgas-Ausstoß. Moderne Gaskraftwerke sind wegen eingebrochener Börsenstrompreise Verlustbringer, der Netzausbau wird von Bürgern bekämpft, ein europaweit einheitlicher Strommarkt lässt auf sich warten.
Deutschland hatte 2011 nach der Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima entschieden, das letzte deutsche Atomkraftwerk 2022 abzuschalten und die Energiewende voranzutreiben. Derzeit hat Ökostrom einen Anteil von rund 25 Prozent an der Stromerzeugung - bis 2025 sollen es bis zu 45 Prozent und bis 2035 bis zu 60 Prozent sein. (dpa)