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Die Energiewende ist ein nationales Megaprojekt.
© dpa

Bundesrat und Energiewende: Widerspruch in 22 Fällen

Der Bundesrat fordert eine Reihe von Änderungen am Erneuerbare-Energie-Gesetz. Gegen den Willen der Bundesregierung - die fürchtet eine Verteuerung der Energiewende.

Kann man eine nicht so gute Figur machen, auch wenn man das Parkett gar nicht betritt? Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) fehlte am Freitag in der Sitzung des Bundesrats, in der er eigentlich reden wollte zu seinem großen Projekt, der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Doch der Vizekanzler war erkrankt. Auch am Abend vorher fehlte er schon, als die SPD-Spitzen in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung zusammenkamen, um zu schauen, wie man mit der stattlichen Zahl von fast 100 Änderungsanträgen umgeht, die sich in den Ländern angesammelt hatten. Nicht zuletzt in den Ländern, die rot-grün regiert werden. Der Bundesregierung war diese hohe Zahl nicht genehm – hatten doch die Ministerpräsidenten am 1. April mit der Kanzlerin und Gabriel vereinbart, das EEG zügig zu verabschieden und keine größeren Schwierigkeiten zu machen.

Ein Brief aus dem Hause Gabriel...

Daher lautete die Erwartung in Berlin, dass nur sehr wenige dieser Anträge auch eine Mehrheit bekommen sollen. Gabriels Staatssekretär Rainer Baake schickte zu diesem Zweck am 15. Mai einen Brief an alle Staatskanzleien, in dem er noch einmal alle Ministerpräsidenten daran erinnerte, was aus Sicht des Bundes Sache ist. In erster Linie: Die Energiewende dürfe nicht teurer werden. Die teuren Technologien, also Offshore-Windenergie und Biomasse, sollten daher weniger stark ausgebaut werden, die EEG-Umlage – von allen Stromkunden bezahlt – dürfe nicht steigen, die Erzeugung von Ökostrom solle stärker in Einklang mit der Nachfrage stehen. Dann listete der Baake-Brief sämtliche bis dahin aufgelaufenen 89 Änderungsanträge auf (einige kamen später noch hinzu), mit einer Bewertung, die in 84 Fällen lautete: abzulehnen. Bei immerhin fünf Anträgen deutete Baake die Möglichkeit der Prüfung an.

...der gar nicht gut ankommt

Wer den Bundesrat kennt, der weiß, dass solche Briefe in den Staatskanzleien nicht gut ankommen. Und dass Landesregierungen sich aus Berlin nicht gern in dieser Form vorschreiben lassen, wie sie sich zu verhalten haben. Zwar kann der Bundesrat das EEG nicht stoppen, und die Ministerpräsidenten haben Merkel und Gabriel versprochen, es auch nicht durch ein Vermittlungsverfahren zu verzögern. Dennoch gibt es landespolitische Zwänge (insbesondere in den Koalitionen mit den Grünen) und landesspezifische Interessen, bei denen es in den Landtagen die Erwartung gibt, dass man sie zumindest anspricht in Berlin. Kurzum: Am Freitag fanden nicht nur die fünf Anträge, die Baake als prüfungswürdig gekennzeichnet hatte, eine Mehrheit, sondern noch 17 weitere. Insgesamt also 22 von 97 Anträgen, deutlich mehr als erwartet. Keine gute Quote für Gabriel. Dass gleich drei SPD- Ministerpräsidenten ans Rednerpult traten, um für Änderungen zu werben, dürfte der SPD-Chef auch nicht gern gesehen haben. Nicht ohne Süffisanz wiesen Unions-Leute darauf hin, wie brav doch in den Reihen der Länder mit schwarzen Regierungschefs am Freitag die Hände bei der Abstimmung unten blieben (aber ganz ohne Stimmen aus diesen Ländern kamen die Mehrheiten dann auch nicht zusammen).

Albigs Forderung

Albig machte klar, dass die Länder eine veränderte Stichtagsregelung bei der Förderung von Windkraftanlagen an Land erwarten. Das gebiete der Vertrauensschutz für Projekte, die schon in der Planung seien. Stichtag solle daher erst der 1. Januar 2015 (statt 2014) sein. Die angenommenen Anträge zielen zudem darauf, sogenannte Eigenstromversorger weniger stark mit der EEG-Umlage zu belasten oder den Ausbaupfad bei der Biomasse wieder zu erweitern. Insgesamt laufen die Länderforderungen auf eine etwas höhere EEG-Umlage und verbesserte Förderbedingungen für Investoren hinaus.

Hoffen auf den Bundestag

Dass die Bundesregierung nun sämtliche Länderanträge in die Vorlage für den Bundestag einarbeitet, wird im Bundesrat nicht erwartet. Daher setzen die Länder auf „ihre“ Abgeordneten im Bundestag. Gern wird derzeit an die Regel erinnert, die dem früheren SPD-Fraktionschef Peter Struck zugeschrieben wird: dass kein Entwurf so aus dem Bundestag herauskommt, wie er eingebracht wurde. So wird Gabriel demnächst mit seiner SPD-Fraktion zu tun haben. Und Merkel mit ihrer Unions-Fraktion. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt jedenfalls, als CSU-Mann ein Förderer der Biomasse, teilte am Freitag lapidar mit: „Es ist zu erwarten, dass im parlamentarischen Verfahren noch Änderungen am Gesetzentwurf durchgeführt werden.“

Pech für die CSU

Pech hatten die Bayern im Bundesrat mit ihrem Vorstoß, das Baugesetzbuch so zu ändern, dass die Länder einen Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung festlegen dürfen. Die Länderkammer lehnte den Antrag ab, der immerhin - auf Drängen der CSU - Teil des schwarz-roten Koalitionsvertrags ist. Die Ländermehrheit hält das bayerische Begehren für überflüssig. Die Regierung in München will als generelle Linie festlegen, dass der Abstand das Zehnfache der Höhe des Windrads entspricht. Allerdings sollen die Kommunen das, wenn sie wollen, auch verringern können. In anderen Ländern fürchtet man jedoch, dass Bürgerinitiativen gegen Windkraft dadurch beflügelt werden und der Bau von Windparks stocken könnte.

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