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Aus Sicht der Nationalelf könnte die WM 2014 doch noch rund werden, etwas Bleibendes hinterlassen.
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WM 2014 - Erfolg durch Effizienz: Diese Nationalmannschaft passt zu Deutschland

Es gibt keinen Wow-Effekt im Spiel der Nationalelf. Muss es aber auch nicht, findet unser Autor. Das Spiel wird jetzt vom Kopf auf die Füße gestellt.

So sieht ein großes Los aus: Mit dem Gastgeber einer der weltbesten Partys einen Abend lang alleine spielen. Darauf kann sich die deutsche Nationalelf nun bis Dienstag freuen – und mit ihr die Gemeinschaft, die Fußball- Deutschland genannt wird. In den letzten Tagen bis zu ihrem Ende könnte diese Weltmeisterschaft in Brasilien aus deutscher Sicht doch noch rund werden, einen besonderen emotionalen Zustand erreichen, etwas Bleibendes hinterlassen. Denn bisher lief dieses Turnier hierzulande so ab: Stell dir vor, es ist WM – und keiner flippt aus.

Von einer WM im Fußballparadies Brasilien wollten viele zwei Dinge auf einmal bekommen: die Atmosphäre von 2006, als sich Deutschland als Volk der Fußballfeierer entdeckte. Und die Spielkunst von 2010. In Südafrika hatte die Nationalelf noch eins drauf gelegt, nicht beim Ergebnis, aber beim Erlebnis. Verspielt verzückt hatte sie. Und diesmal? Bis zum Halbfinale gab es keines von beidem, weder das landesweite Fest noch höchste Fußballkunst.

Verlangen nach Drama zum Saisonhöhepunkt

Ein solches Spiel der Erwartungen kann man aber auch nur verlieren. Der Zauber des Neuen ist nun einmal verflogen. Man ertappt sich beim kleinlichen Fähnchenzählen an vorbeifahrenden Autos, um sagen zu können: War schon mal mehr los im Schland. Pressing gegen die Normalität funktioniert nicht. Eine WM findet zwar nur alle vier Jahre statt, aber eben doch in solcher Regelmäßigkeit, dass sie kein Ausnahmezustand mehr ist.

Diesmal strahlte über den Fans in Deutschland bisher auch kein Jahrhundertsommer, und dass jede Kneipe und jedes Gemeindehaus inzwischen Public Viewing anbietet, macht alles nur noch gewöhnlicher. Der Freude freien Lauf lassen, fällt auch schwer, wenn ein solches Weltereignis politisch belastet ist und der Veranstalter Fifa sein bestes Turnier auch noch nach Katar verhökert.

Wer viel Fußball schaut, ist zudem gerade verwöhnt worden von den Erfolgen des deutschen Vereinsfußballs. In der Nationalmannschaft wimmelt es nur so von Spielern, die erst vor kurzem die Champions League gewonnen oder zumindest das Finale erreicht haben. Fußball hat sich selbst so verdichtet, ist so aufgeladen, und zum Saisonhöhepunkt wird das größte Drama gewollt, also gerade dann, wenn viele Spieler schon für ihre Vereine bis an die Grenze der Belastbarkeit gegangen sind.

Ansprüche haben sich verdribbelt

Auch die Brasilianer haben bisher keinen berauschenden Fußball gespielt. Aber sie haben – zumindest bis zu Neymars Verletzung – einfach darüber weggefeiert, während sich Deutschland verkopft und vergeistigt sagt, man könne Probleme eben nicht wegdiskutieren. Die Fußball-Wahrnehmung hat jedenfalls nichts mehr vom Sich-Überraschenlassen. Es herrscht eine neue Fußball-Sachlichkeit, und eine entscheidende Spielszene dieser WM war daher der Zweikampf zwischen ZDF-Reporter Boris Büchler und Nationalspieler Per Mertesacker. Büchler fragte nach dem Umschaltspiel. Mertesacker antwortete mit der kämpferischen Leistung und dem Mut der Mannschaft. Büchler fragte nach dem Wow-Effekt – und vermisste wohl stellvertretend für so viele die eigene Ausgelassenheit beim Zuschauen.

Dabei haben sich die Ansprüche längst verdribbelt. Das schöne Spiel soll doch auch gerade und willensstark sein, wer lässt sich schon vom ständigen Kringeldrehen einnehmen, wie es zuletzt von Özil und Götze vorgeführt wurde. Nach der Blütezeit von 2006 und 2010 schlägt sich die Nationalmannschaft jetzt eben wieder durchs wuchernde taktische Gestrüpp. Aber ist das so schlimm, nimmt das dem Fußball so viel?

Das Spiel wird jetzt im Grunde wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Da wo es hingehört. Auch auf unsere eigenen Füße. Die Nationalelf passt doch gerade hervorragend zu diesem Land. Im Ausland wird sie für ihren Fußball respektiert, geachtet, sogar bewundert. Diese Effizienz! Diese Willensleistung! Und vor allem: dieser Teamgeist! Alles Eigenschaften, die das Leben manchmal etwas leichter machen.

Friedhard Teuffel

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