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Die Spitzen der Linkspartei: Bernd Riexinger, Gabi Zimmer und Gregor Gysi (von links).
© dpa

Ukraine-Krise und die Linke: Die Russland-Versteher müssen sich mäßigen

Die Linke schießt mit ihrer Ukraine-Politik weit über das Ziel hinaus. Sie zerstört nicht nur Bündnisoptionen mit SPD und Grünen, sondern könnte auch das Erbe Gregor Gysis zunichte machen.

Es ist ein gewisser Trotz, mit dem sich die Linkspartei im Streit um die Ukraine-Politik zu behaupten versucht. „Wir sind Russland-Versteher“, heißt es. Sei doch gut. Na und? Das, so fügen es die Spitzengenossen in ihren Reden auf dem Bundesparteitag in Berlin hinzu, sage doch noch gar nichts aus über die Haltung zu Putin, weder im guten noch im schlechten Sinn. Ist das so? Die Linke reklamiert für sich eine differenzierte Haltung in dem Konflikt – aber die politische Konkurrenz lässt das Gregor Gysi und seinen Parteifreunden so nicht durchgehen.

Und das zu Recht. Denn die – mit knappem Vorsprung vor den Grünen – größte deutsche Oppositionspartei ist ja nicht ohne eigenes Zutun in einem Propagandakrieg um das richtige Verhältnis zu Moskau zwischen die Fronten geraten. Nein, ihre Wortführer haben durch zugespitzte, zum Teil unkluge und polemische Äußerungen selbst organisiert, dass sich die innenpolitischen Beziehungen zu SPD und Grünen deutlich verschlechtert haben. Zu den Parteien also, mit denen die Linke 2017 doch angeblich nach Möglichkeit eine gemeinsame Bundesregierung stellen will.

Man muss die Bundesregierung nicht gleich der „Kumpanei mit Faschisten“ bezichtigen

Hier nun wird es interessant. Denn selbstverständlich darf die Linke kritische Fragen stellen zur Rolle der Oligarchen in der Ukraine, zum „Rechten Sektor“ und zur nationalistischen Swoboda-Partei. Sie darf selbstverständlich auch behaupten, dass EU, Nato und Bundesregierung nicht alles richtig machen. Aber die Bundesregierung deshalb gleich der „Kumpanei mit Faschisten“ zu bezichtigen, wie das Vertreter des linken Parteiflügels wieder und wieder tun, schießt deutlich über das Ziel hinaus. Es sei denn, da wollen einige wichtige Leute in der Linkspartei den Streit um die Ukraine nutzen, um Rot-Rot-Grün unmöglich zu machen.

Ob auch Sahra Wagenknecht zu denen gehört, die mit SPD und Grünen gar nicht außenpolitisch auf einen Nenner kommen wollen? Auch sie benennt die Länder des Westens als Hauptverantwortliche für die Eskalation in der Ukraine – und setzt so Botschaften, die auch in russischen Staatsmedien gern verbreitet werden. Dass sie sich auf dem Bundesparteitag in Berlin nicht mehr für ein Parteiamt bewarb, ist keinesfalls als Rückzieher der linken Frontfrau zu deuten, im Gegenteil. Intensiver noch als bisher will sie um eine tonangebende Rolle in der Bundestagsfraktion kämpfen.

Es geht auch um Gysis Erbe, der seinen Laden bisher zusammenhält – auch, weil er die internen Konflikte verkleistert. Gysi und die beiden in Berlin wiedergewählten Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger haben es in den vergangenen zwei Jahren geschafft, das Bündnis aus PDS und WASG, dem nach Dauerstreit in der Führung das parlamentarische Aus im Bund drohte, zu konsolidieren, die 8,6 Prozent bei der Bundestagswahl waren ein Achtungserfolg, mit ein wenig Glück kam wegen zeitweiliger Schwäche der Grünen die Oppositionsführerrolle dazu. Sie wäre der Linken, im Falle einer Wahl am kommenden Sonntag, nicht mehr sicher.

Was Gysi und Genossen bisher nicht geschafft haben: Rot-Rot-Grün als Projekt interessant zu machen, in anderen Parteien, den Gewerkschaften, vor allem in der Gesellschaft. Äußerst mühselig läuft es im Bundestag zwischen Grünen und Linken, wenn es um gemeinsame Initiativen in der Opposition geht. Offiziell halten die Grünen zwar offen, wie sie künftig wieder an einer Bundesregierung beteiligt werden könnten. Aber die Befürworter von Schwarz- Grün gewinnen an Einfluss gegenüber jenen, vor allem Hinterbänklern, die mit einem Linksbündnis liebäugeln. Und bei der SPD? Damit sie irgendwann mal wieder einen Bundeskanzler stellen kann, müsste sie eigentlich jetzt schon sehr ernsthaft sondieren, wie sie mit der Linkspartei auf einen Nenner kommen kann.

Der Ukraine-Konflikt bietet hinreichend Stoff zur Mäßigung

Sie tut es aber nicht, ihre führenden Vertreter zeigen sich desinteressiert. Eine Kompromisssuche in der Außenpolitik – punktuell vielleicht durchaus möglich – wird nicht betrieben. Und dass es in Thüringen im Herbst mit Bodo Ramelow bundesweit den ersten linken Ministerpräsidenten geben kann, mag sich die Linke zwar als starkes Signal für eine rot-rote Annäherung wünschen. Aber wetten möchte darauf in der Linkspartei auch niemand – im Wissen darum, wie die SPD gestrickt ist. Nicht, weil es in Erfurt um Weltpolitik geht. Sondern, weil sich die Landes-SPD sehr leicht von einer übermächtigen Linkspartei gedemütigt fühlen könnte und deshalb am Bündnis mit der CDU festhält. Mit der Ukraine ist im Osten Europas ein großes Land außer Kontrolle geraten. Verglichen damit mögen die innenpolitischen deutschen Auseinandersetzungen der mehr oder weniger linken Parteien als vergleichsweise kleines Problem erscheinen. Für die Linke bleibt es strategisch groß: Der Ukraine-Russland-Konflikt bietet hinreichend Stoff, um sie zu mäßigen. Bis auf Weiteres steht ihr nicht mehr zu als die politische Außenseiterrolle.

Matthias Meisner

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