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Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.
© dpa

BER und die Konsequenzen: Die letzten Tage der Ära Wowereit

Berlins Regierender Bürgermeister ist ein politischer Gefangener des Flughafen Desasters und so verspielt die Stadt derzeit ihre wichtigste Zukunftschance. Ein Kommentar.

Berlin ohne Klaus Wowereit? Es fällt schwer, sich dies vorzustellen. Seit 13 Jahren regiert der Sozialdemokrat die deutsche Hauptstadt, mittlerweile ist er der dienstälteste Ministerpräsident. Wowereit hat mit drei unterschiedlichen Koalitionspartnern regiert, er hat das Image der Stadt über mehr als ein Jahrzehnt geprägt und seinen Beitrag dazu geleistet, dass in der Stadt wieder über die Zukunft gestritten und nicht über die Vergangenheit lamentiert wird.

Es gab in der Amtszeit von Klaus Wowereit Höhen und Tiefen. Als er am 16. Juni 2001 zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt wurde, da war Berlin pleite und wirtschaftlich am Ende, Wohnungen wurden abgerissen, weil sie niemand mieten wollte. Der Palast der Republik stand noch und auf dem Flughafen Tempelhof herrschte reger Flugbetrieb. Es gab noch kein Berghain, keinen EasyJetset. Berlin war mental in Ost und West gespalten, Multikulti galt als Stadtdoktrin und Gentrifizierung war ein Fremdwort.

Der unbeliebteste Politiker

Mittlerweile erlebt Berlin die letzten Tage der Ära Wowereit. Die Stimmung in der Stadt ist im Keller. In der vergangenen Woche veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage, nach der Wowereit mittlerweile der unbeliebteste Politiker der Stadt ist. Die SPD kann derzeit nur noch mit 21 Prozent der Wählerstimmen rechnen, die Grünen liegen gleich auf. Die CDU, der kleine Koalitionspartner, liegt deutlich vorn und kann sich berechtigte Hoffnungen machen, demnächst ins Rote Rathaus einziehen zu können.

Sieht man einmal von den methodischen Schwächen einer Umfrage ab, die die Beliebtheit des regierenden mit der Beliebtheit von völlig unbekannten Oppositionspolitikern vergleicht, hat die Umfrage vor allem eine Botschaft. Die Berliner fühlen sich schlecht regiert, trotz guter Wirtschaftsdaten, trotz Tourismusboom und trotz Dauerparty. Sie blicken besorgt in die Zukunft und sie trauen Klaus Wowereit nicht mehr zu, diese zu gestalten.

Die Frage, ob Berlin heute mehr Probleme hat als vor 13 Jahren, ist einerseits müßig. In einer Großstadt reißen die Herausforderungen nie ab und Jammern gehört bei den Berlinern zum guten Ton. Andererseits jedoch hatten die SPD und Klaus Wowereit im Jahr 2001 eine Idee, wie sie die Probleme der Stadt beackern wollen, heute haben sie eine solche Idee nicht mehr. Der Rest ist Schweigen, über explodierende Mieten, über marode Schulen oder drogendealende Flüchtlinge.

Wowereit müsste bei Olympia vorangehen

Der Flughafen, der nicht fertig werden will, der zu einer Lachnummer und zu einem Milliardengrab geworden ist, lähmt alles. Er lähmt die Stadtregierung, er lähmt die Verwaltung, er lähmt die politische Fantasie der Landespolitiker und er lähmt die Berliner SPD. Vor allem Klaus Wowereit ist ein politischer Gefangener des Flughafendesasters. Die Berliner erwarten nichts mehr von ihrem Regierenden Bürgermeister. Egal welche Idee, er äußert, antworten sie: ja, ja und zeigen auf die Dauerbaustelle am südlichen Stadtrand. So verspielt Berlin derzeit seine Zukunft.

Dabei hat sich für Berlin unverhofft eine Chance eröffnet. Der Deutsche Olympische Sportbund diskutiert derzeit über eine deutsche Olympiabewerbung 2024 oder 2028. Neben Hamburg gilt Berlin selbstredend als möglicher Kandidat. Noch in diesem Jahr soll die Entscheidung über den deutschen Bewerber, mit dem der DOSB international ins Rennen zieht, fallen. Mit Olympia könnte sich für Berlin eine neue stadtpolitische Perspektive eröffnen. Olympia könnte Berlin neue Impulse für die Stadtentwicklung, den Nahverkehr und für die Integration setzen. London hat es 2012 vorgemacht.

Natürlich melden sich jetzt alle Nörgler und Zweifler, Olympia koste nur Geld, treibe die Mieten in die Höhe und lenke von den Problemen der Stadt ab. Die Planungen seien überhastet begonnen worden und ideenlos. Überhaupt müsse sich nicht Berlin bei IOC bewerben, sondern umgekehrt das IOC müsse sich darum bewerben, seine Spiele in Berlin ausrichten zu dürfen. Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn waren in Berlin schon immer zwei Seiten derselben Medaille.

Wenn Berlin Olympia will, dann müsste der Regierende Bürgermeister jetzt vorangehen, Führungsstärke demonstrieren, die Berliner für Olympia begeistern. Dass das geht, dafür gibt es aus den letzten Jahren Beispiele, nicht zuletzt die Fußball WM 2006. Doch von Klaus Wowereit ist wenig zu hören. Er bringt nicht mehr die Kraft und die Glaubwürdigkeit für eine Olympiakampagne auf, er ist längst ein Regierender Bürgermeister auf Abruf, eine lame duck, stadtpolitisch handlungsunfähig.

Die Frage lautet eigentlich nur noch, ob ihn seine Genossen aus dem Amt jagen, damit sie in zwei Jahren mit einem frischen, unverbrauchten Gesicht in den Wahlkampf ziehen können? Oder ob sich Klaus Wowereit an sein Amt klammert und die Wähler ihn bei der Abgeordnetenwahl 2016 abwählen? Berlin ohne Klaus Wowereit? Die Berliner werden sich schon sehr bald an den Gedanken gewöhnen müssen.

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