Berlin und der Senat: Klaus Wowereit ist jetzt so unbeliebt wie noch nie
Klaus Wowereit gelang es als Regierendem Bürgermeister von Berlin oft, die Zuneigung der Wähler nach Einbrüchen seiner Sympathiewerte zurückzugewinnen. Diesmal sieht es anders aus.
Das waren noch Zeiten. „Alle lieben Wowi“, lautete die Überschrift eines Artikels, den die „Bunte“ vor bald elf Jahren zum 50. Geburtstag von Berlins Regierendem Bürgermeister veröffentlichte. Die Quintessenz des Illustrierten-Berichts: „Wowereit ist unglaublich beliebt.“
Was für eine Achterbahnfahrt Deutschlands dienstältester Landesregierungschef seitdem in Sachen Popularität erlebt hat, illustriert obige Grafik. Sie zeigt die Zahlen der im Laufe der Jahre von Infratest Dimap befragten Berliner, die sich „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit Wowereits Arbeit zeigten – mit Resultaten, die vor allem in den vergangenen zwei Jahren für den Regierenden verheerend ausfielen.
Einbrüche nach S-Bahn-Krise und BER-Desaster
Den vorläufigen Tiefpunkt erlebte der Senatschef vergangene Woche. Da ergab eine Forsa-Umfrage, dass der einstige SPD-Hoffnungsträger mittlerweile der unbeliebteste Politiker der Stadt ist. Wie konnte es so weit kommen? Ein genauerer Blick auf die Sympathiewerte, die Infratest Dimap abgefragt hat, zeigt, dass gerade die starken Einbrüche eng mit einschneidenden Berliner Krisen zusammenhängen, für die Bürger den Senatschef verantwortlich machen – oder ihm zumindest vorwerfen, nicht angemessen reagiert zu haben.
So sinken Wowereits Sympathiewerte im S-Bahn-Chaos-Winter 2009/10 auf den bis dahin niedrigsten Wert. Nur noch 45 Prozent der Berliner sind mit seiner Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden – gegenüber 69 Prozent kurz vor der Abgeordnetenhauswahl 2006. Wowereit werden in jenem Winter neben dem schlechten Krisenmanagement bei den S-Bahn- Ausfällen auch sein als zögerlich erlebtes Handeln sowie despektierliche Äußerungen über das Glatteis-Chaos im Februar 2010 angelastet („Wir sind nicht in Haiti, sondern wir sind in Berlin“).
Zwei Jahre später kommt es dann noch schlimmer. Knapp einen Monat vor dem geplanten Termin wird im Mai 2012 die Eröffnung des neuen Flughafens BER in Schönefeld abgesagt. Wowereit stürzt in der Wählergunst so tief wie nie zuvor. Als er im Januar 2013 auch noch den Aufsichtsratsvorsitz der Flughafengesellschaft abgibt und die Opposition im Abgeordnetenhaus einen Misstrauensantrag gegen ihn stellt, erreichen die Sympathiewerte des einstigen politischen Überfliegers und Talkshow-Lieblings ihren absoluten Tiefpunkt – zumindest bis dahin.
„Wowereit ist kein Stehauf-Männchen mehr“
Bemerkenswert ist, dass Wowereit sich in früheren Jahren nach vorübergehenden Sympathie-Einbrüchen wieder erholen konnte. So kommt er im Sommer 2011 gegen Ende der zweiten rot-roten Regierungszeit wieder auf 61 Prozent Zustimmung – trotz wachsender Unzufriedenheit der Berliner mit der Senatspolitik.
Das dürfte viel mit dem vor allem in Wahlkampfzeiten erwachenden Charisma des SPD-Politikers zu tun haben – aber ebenso viel mit der Schwäche der Konkurrenz. Das war bereits 2006 vor der damaligen Abgeordnetenhauswahl deutlich geworden. Bei einer Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters hätten damals zwei von drei Berlinern Wowereit gewählt – und nur jeder vierte den CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger. Ähnlich sah es im Wahljahr 2011 aus. Bei einer Infratest-Umfrage zur Zufriedenheit im Juni kommt Wowereit auf 57 Prozent. CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel hingegen landete bei 15 Prozent.
Dass Wowereit demnächst nochmal einen ähnlichen Stimmungsumschwung erlebt, ist unwahrscheinlich. Dafür geht die Unzufriedenheit mit dem Senatschef zu tief. Zu dem anhaltenden BER-Debakel kamen in den vergangenen Monaten auch noch der Streit um Wowereits Nachfolge in der SPD sowie die Steuer-Affäre um seinen Kulturstaatssekretär André Schmitz hinzu. „Wowereit ist inzwischen kein Stehauf-Männchen mehr, die SPD wird sich nach Alternativen umsehen müssen“, attestiert Infratest-Dimap-Chef Richard Hilmer.
Wowereits Auf und Ab in der Wählergunst hängt eng zusammen mit der Zustimmung zu seiner Partei, wie der Vergleich der obigen Grafiken zeigt. Allerdings machen die Kurven auch deutlich, dass die Berliner gegenüber Wowereit viel stärkere Empfindungen haben als gegenüber der SPD. Während deren Werte über die Jahre um rund zehn Prozentpunkte sanken oder stiegen, beträgt Wowereits Fall von 2006 bis heute satte 45 Prozentpunkte.
Angesichts der massiven Unzufriedenheit überrascht eine Nachricht vom Sonnabend: Eine Anti-Wowereit-Initiative, die vorgezogene Neuwahlen fordert, hat seit März nur 7500 Stimmen für ein Volksbegehren zusammenbekommen. Benötigt werden 50 000. Offenbar haben die Berliner es trotz der Enttäuschung über Wowereit nicht allzu eilig, ihn loszuwerden.