Olympia in Berlin: Klaus Wowereit und Frank Henkel verspielen eine Chance
Olympia ist die beste Idee, die Berlin gerade haben kann. Nur leider wirkt Olympia wie die schlechteste Idee, die Berlin gerade hat. Doch jetzt muss gehandelt werden, am Dienstag ist ein wichtiger Termin. Ein Kommentar
Berlin, Berlin, wir feiern in Berlin: Läufer aus aller Welt rennen durchs Brandenburger Tor, auf der Reichstagswiese springen Volleyballer durch die Sonne, in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof wird geboxt, auf der Wiese davor gechillt – und am (hoffentlich dann ehemaligen) Flughafen Tegel ist ein neues Stadtviertel entstanden mit barrierefreien, günstigen Wohnungen, die Berlin so dringend braucht. Mit Olympischen und Paralympischen Spielen 2024 oder, was sportpolitisch wahrscheinlicher wäre, 2028 könnte sich Berlin auf seinen heutigen Brachen wieder einmal neu erfinden. Als Stadt weltläufiger Lässigkeit, als Stadt kluger Nachhaltigkeit, als erste Stadt der Inklusion.
Olympia ist die beste Idee, die Berlin gerade haben kann. Die Stadt braucht Geld für die Renovierung ihrer kaputtgesparten Infrastruktur: Geld, das zur Hälfte vom gesamtdeutschen Steuerzahler kommen würde. Die Stadt braucht neue Kieze und ein neues Miteinander in bestehenden Vierteln, denn sie wächst um jährlich 40.000 Einwohner. Vor allem braucht Berlin eine neue Erzählung – denn der Mauerfall wäre dann 35 Jahre her und in den Köpfen vergangen. Olympia kann frischer Humus für eine klug wachsende Metropole sein. Wenn einer das Feld gescheit beackern würde. Bisher kann oder will das aber niemand.
Berlin schwächelt schon am Anfang
Unnötigerweise wirkt Olympia wie die schlechteste Idee, die Berlin gerade hat. Der Senat zeigt schon im Vorwettstreit mit Hamburg Schwäche. Nach dem durch eigene Ignoranz verlorenen Volksentscheid am Tempelhofer Feld ist die rot-schwarze Regierung des ermatteten Klaus Wowereit in Angst vor dem Bürger erstarrt. Verdruckst werden Ideen etwa für ein Olympisches Dorf in Tegel ventiliert, anstatt die Bürger offensiv von Anfang an zu informieren und zu beteiligen. In Hintergrundrunden wird versichert, man sei mit „Stakeholdern“ im Gespräch für eine Kampagne. Wowereit selbst und Koalitionskollege Frank Henkel von der CDU, übrigens Sportsenator, bleiben in Deckung. Intern macht Wowereit Witze über starre Sportfunktionäre; nicht nur er lässt durchblicken, das Internationale Olympische Komitee (IOC) solle sich lieber bei Berlin bewerben als umgekehrt. Sportpolitisch-theoretisch klingt das gut, auch das Sotschi-geschädigte IOC muss sich neu erfinden. Praktisch gewinnt man so nichts. Erst recht nicht die Berliner.
Ende August muss über eine Bewerbung entschieden werden
Doch längst drängt die Zeit. Am Dienstag berät der Senat über die Bewerbung, bis Ende August muss die Stadt dem Deutschen Olympischen Sportbund mitteilen, wie sie sich die Spiele vorstellt. Noch dieses Jahr kann beschlossen werden, ob und mit wem Deutschland ins Rennen geht. Dann gibt es kaum noch ein Zurück.
Doch bisher gibt es nicht mal ein Vor. Zu einer öffentlichen Präsentation der Pläne inklusive Kostenrechnung hat sich Wowereit noch nicht herabgelassen. Vielleicht wäre es auch gar nicht hilfreich, wenn ausgerechnet Berlins unbeliebtester Politiker die Spiele als seine neueste Idee verkauft. Und: Olympia ohne Flughafen – das klingt wie ein Witz. Doch mit jedem Tag Schweigen geht Vertrauen verloren bei den Menschen, die das Ganze mitbezahlen sollen. Die beschworene Bürgerbeteiligung erschöpft sich bisher in einer versteckten Onlineumfrage, bei der ein Nein wieder einmal nicht vorgesehen ist. Selbst wenn es viele gute Ideen gibt; Berlin agiert ohne Plan und Vision.
Der Ball liegt vorm Brandenburger Tor. Es ist Zeit, Anlauf zu nehmen.