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 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping 2018 in Peking begrüßt.
© MIchael Kappeler/ dpa

Schwierige Dreiecksbeziehung: Deutschland muss in Peking eigene Interessen durchsetzen, ohne Schoßhund der USA zu werden

Sechs praktische Vorschläge, wie das gelingen kann. Ein Gastbeitrag

Sophia Besch ist Senior Resarch Fellow am Centre for European Reform (CER). Leonard Schütte war vormals O’Donnell Fellow am CER und forscht jetzt an der Universität Maastricht.

Die Corona Pandemie hat den Großmachtkonflikt zwischen China und den USA weiter verschärft. Auch der neue Präsident Biden verfolgt eine harte Chinapolitik und kritisiert Chinas intransparentes Auftreten in der Coronakrise: Die USA müsse eine „härtere Gangart einschlagen“.

Im Gegenzug betreibt China Maskendiplomatie (das Spenden von medizinischer Ausstattung gepaart mit offensiver Kampagne in den Sozialen Medien), um sein autoritäres System als erfolgreicher als die westlichen Demokratien darzustellen und nutzt deren Ablenkung um seine expansive Außenpolitik in Hong Kong, Taiwan und an der Grenze zu Indien zu intensivieren.

Die Verschlechterung der ohnehin äußerst angespannten bilateralen Beziehungen birgt Große Gefahren für die EU und insbesondere Deutschland. Die internationale Ordnung steht bereits unter Stress: Internationales Recht und Normen haben immer wenige Bindekraft und umgreifender nationaler Populismus führen zu regionalen Spannungen in der ganzen Welt.

Ein heißer Konflikt zwischen China und den USA würde die Weltwirtschaft lahmlegen, lebenswichtige Zusammenarbeit im Klimaschutz verhindern und Europa zwingen, sich für ein Lager zu entscheiden.

Chinas aggressive Außenpolitik will die liberale Ordnung untergraben

Lange hat die EU versucht sich den geopolitischen Spannungen zu entziehen. Anders als die USA sahen die Europäer im Aufstieg Chinas keine sicherheits- und demokratiepolitischen Risiken, sondern wirtschaftliche Chancen. Insbesondere die deutsche Bundesregierung hat sich lange gegen eine konfrontativere Chinapolitik gewehrt, um Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft nicht zu gefährden.

Aber seit geraumer Zeit verfolgt Peking eine aggressive Außenpolitik mit dem Ziel die liberale Ordnung zu untergraben, den Westen zu teilen und Demokratien in Europa zu schwächen. China bringt sich als sicherheitspolitischer Akteur in Position, im Indo-Pazifik, aber auch in der Arktis und im Cyberspace. Es hat seine Militärausgaben erhöht und eine Allianz mit Russland geschmiedet. Außerdem exportiert das Regime zunehmend Überwachungstechnik und Waffen wie bewaffnete Drohnen an autoritäre Staaten.

Der Wind in Berlin dreht sich

Deutschland muss anerkennen, dass China sich unter der aktuellen Regierung in Peking nicht freiwillig liberalen politischen und wirtschaftliche Werten nähern wird. Erste Anzeichen sind sichtbar, dass sich der Wind im politischen Berlin dreht. Norbert Röttgen von der CDU, der SPD Staatsminister Michael Roth und mehrere Spitzenpolitiker der Grünen haben die passive und naive deutsche Außenpolitik gegenüber China kritisiert.

Aber wenn Deutschland und die EU nicht Spielball im Großmachtkonflikt werden wollen müssen sie sich von der Beobachterrolle verabschieden.

Die EU kann keine Äquidistanz zwischen China und den USA halten.
Die EU kann keine Äquidistanz zwischen China und den USA halten.
© Yves Herman/dpa

Die EU kann sich nicht äquidistant zwischen einem, wenn auch mangelhaften, demokratischen Amerika und autoritären China positionieren. Die EU wird immer mehr Werte und Interessen mit den USA teilen als mit der nach totalitärer Macht strebenden kommunistischen Partei. Langsam erkennt das auch die deutsche Bevölkerung an.

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Laut der jüngsten Berlin Pulse-Umfrage der Koerber Stiftung ist es für 56 Prozent der Befragten wichtiger, enge Beziehungen mit den USA als mit China zu pflegen im Vergleich zu 27 Prozent, die für engere Beziehungen zu China als den USA plädieren. Noch im April dieses Jahres waren 37 Prozent der Bevölkerung für enge Beziehungen zu den USA, 36 zogen China vor.

Gleichzeitig muss die EU ihre Interessen eigenständig entwickeln und vertreten, und darf den USA nicht blind in einen fehlgeleiteten Kampf um die globale Vorherrschaft folgen. Selbst wenn Joe Biden die transatlantische Allianz wieder zum Leben erweckt, wird die USA weiter versuchen den Aufstieg Chinas zu verhindern und womöglich militärisch zu begegnen.

Deutschland sollte in der EU auf sechs strategische Veränderungen hinwirken.

Erstens muss die EU China als sicherheitspolitisches Risiko ernst nehmen, und vor allem chinesische Investitionen in sogenannte „kritische Infrastruktur“ auf sicherheitspolitische Auswirkungen hin überprüfen. Auch sollte Deutschland beispielsweise Frankreich und dem Vereinigten Königreich folgen und verbieten, dass Komponenten von Huawei im sensiblen 5G Netzwerk verbaut werden, da das chinesische Unternehmen mit den staatlichen Sicherheitsorganen zusammenarbeitet.

Zweitens sollte die EU über die USA hinaus demokratische Allianzen stärken. Die USA werden auch in den nächsten vier Jahren weiter sehr mit sich selbst beschäftigt sein. Auch Kanada, das Vereinigte Königreich, Japan oder Indien wollen die liberale Ordnung verteidigen und den Großmachtkonflikt einhegen.

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Daraus folgt, drittens, dass die EU versuchen muss, eine Eskalation zwischen den USA und China zu verhindern. Die Europäer sollten auf die US-Forderung eingehen, China auch in der Nato zu thematisieren. Das würde die Risiken eines US-Alleingangs reduzieren und den Europäern Einfluss geben. Zwar sollte Amerika nicht von europäischen Regierungen erwarten, dass sie ihre Militärs zum Beispiel im Südchinesischen Meer einsetzen – Europa wird  genug damit zu tun haben, die eigene Nachbarschaft zu stabilisieren, wenn sich die USA - wie zu erwarten ist - immer mehr als Schutzmacht zurückziehen. Aber durch die NATO und auch durch die EU kann Europa Chinas Nachbarn wie Japan oder die ASEAN-Staaten unterstützen. Europa sollte auch die Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen zu einem zentralen Punkt der diplomatischen Bemühungen mit China und den USA zu machen.

China nicht an seiner Rhetorik, sondern seinen Taten messen

Viertens darf die EU China nicht an seiner Rhetorik, sondern an seinen Taten messen. Die immerzu beschworene notwendige Kooperation mit China in Handelsfragen oder beim Klimawandel sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass China sich seit Jahren weigert, ein Investitionsabkommen mit der EU abzuschließen, das faire Marktpraktiken garantiert oder in alarmierender Geschwindigkeit neue Kohlekraftwerke baut. Auch erleben Staaten wie Estland oder Tschechien, die durch das 17+1-Format enge Verbindungen mit China eingegangen sind - ebenso wie Italien, das eine bilaterale Absichtserklärung mit China unterzeichnet hat -, dass chinesische Versprechen von größeren Handels- und Investitionsvolumen nicht immer erfüllt werden. Die EU sollte ihre Naivität gegenüber chinesischem Versprechen aufgeben und zukünftige Kooperation in anderen Feldern von konkreten Taten in Handels- und Umweltfragen abhängig machen.

Europa kann, fünftens, nur Einfluss auf die USA und China nehmen, wenn es geschlossen auftritt. Deutschland hat zu lange die eigenen bilateralen Beziehungen zu China über eine geschlossene EU-Chinapolitik gestellt. Deutschland sollte sich in der EU dafür einsetzen, das Mehrheitswahlrecht in der Außenpolitik einführen. Das würde es Staaten wie China (aber auch Russland) schwerer machen, gemeinsame EU Außenpolitik zu verhindern indem sie durch gezielte Investitionen und diplomatischen Druck einzelne Länder zum Veto verleiten.

Sechstens - und das ist langfristig am wichtigsten - muss die EU den Systemwettkampf gegen Chinas autoritäre Herrschaft bestehen. Nur wenn europäische Demokratien zeigen, dass sie mit Klimawandel, Covid-19 oder Globalisierung besser umgehen und ihren BürgerInnen ein selbstbestimmtes und wohlhabendes Leben ermöglichen, kann Europa langfristig gegen China bestehen. Der jüngst aufgelegte Wiederaufbaufonds ist ein guter Schritt, um das Vertrauen der BürgerInnen in die EU zurückzugewinnen. Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl muss die Bundesregierung die neue Realität anerkennen und deutlich entschlossener außenpolitisch auftreten. Nicht weniger als die Zukunft der liberalen Demokratien Europas steht langfristig auf dem Spiel.

Sophia Besch, Leonard Schütte

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