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Die frustrierte griechische Bevölkerung hat längst ihr Scherbengericht abgehalten.
© AFP

Das Scherbengericht der Griechen: Der Sparzwang verschärft die Notlage

Das griechische Volk ächzt unter dem Sparprogramm aus Athen. Eine Besserung der wirtschaftlichen Lage ist nicht in Sicht. Was dem Land wirklich helfen würde, sind echte Strukturveränderungen. Im Moment steuert aber alles auf das Unvermeidliche zu.

In Athen, der Wiege der Demokratie, ist derzeit ein besonderes Schauspiel zu besichtigen. In dem Stück, das nicht in einem Amphitheater, sondern in den Straßen der griechischen Hauptstadt aufgeführt wird, geht es darum, was eine gewählte Regierung der Bevölkerung zumuten kann – und was nicht. Die demonstrierenden Griechen wollen sich und dem Rest der Welt beweisen, dass die harten Sparauflagen, zu denen sie im Kampf gegen die Schuldenkrise seit eineinhalb Jahren gezwungen sind, ihre Notlage immer weiter verschärfen. Es spricht einiges dafür, dass sie mit dieser Einschätzung Recht haben.

Zwei Seiten stehen im griechischen Drama dieser Tage unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite setzt die Regierung von Giorgos Papandreou alles daran, die Sparauflagen der Troika aus EU- Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds auf Biegen oder Brechen zu erfüllen und damit die Auszahlung der nächsten Tranche der milliardenschweren Hilfszahlungen sicherzustellen. Auf der anderen Seite hat eine frustrierte Bevölkerung längst ihr Scherbengericht abgehalten. In den Augen der allermeisten Griechen wirken die Programme der Troika, mit denen ihr Land endlich fit für den Euro gemacht werden soll, wie Strafen, ohne dass sich am Horizont eine Verbesserung der Wirtschaftslage abzeichnen würde.

Wenn viele Griechen die Troika also wieder aus Athen verjagen möchten – und Papandreous Regierung am liebsten gleich mit –, dann stecken dahinter nicht nur mächtige Partikularinteressen von Staatsangestellten, Taxifahrern oder Hafenarbeitern. Sondern der Aufstand gegen die Troika und gegen die eigene Regierung hat ein breiteres Fundament: Es sind nicht zuletzt Millionen von Angestellten aus der Mittelschicht, die von immer neuen Steuererhöhungen getroffen werden und kaum noch in der Lage sein dürften, auch noch in den kommenden Jahren die große Last bei der Sanierung ihres Landes zu tragen.

Was Griechenland wirklich helfen würde, lesen Sie auf Seite 2.

Hier liegt der entscheidende Fehler beim bisherigen Programm zum Abbau des Athener Haushaltsdefizits. Zu lange hat die Troika in erster Linie darauf gepocht, dass Papandreou die fehlenden Milliarden über Steuererhöhungen hereinholen müsse. Erst jetzt fordern die Verantwortlichen der Troika auch echte Strukturveränderungen in Griechenland ein. Dazu gehören Entlassungen im aufgeblähten Beamtenapparat – sie sind unerlässlich, wenn den Griechen tatsächlich die Modernisierung ihres Staatswesens gelingen soll.

Aber auch die Regierung von Giorgos Papandreou trifft eine gehörige Mitschuld an der düsteren Lage. Der Premierminister, der noch in dieser Woche sein Berliner Publikum mit einem eloquenten Auftritt zu beeindrucken wusste, hat im Verlauf der Schuldenkrise etliche Versprechen abgegeben, die kaum zu halten sein werden. Dazu zählt die Zusage, bis zum Jahr 2015 die Summe von 50 Milliarden Euro über Privatisierungen und den Verkauf staatlicher Immobilien in den Haushalt zu spülen. Auch die Ansage, bis zum kommenden April ohne die Einbeziehung von Zinszahlungen einen Primärüberschuss im Athener Etat zu erwirtschaften, wird wohl ein frommer Wunsch bleiben.

Wer die Lage so gesundbetet wie Papandreou, der verspielt am Ende das Vertrauen. Ehrlicher wäre es, wenn der griechische Premier sich früher oder später mit seinen internationalen Partnern auf das Unvermeidliche einigen würde – einen Schuldenschnitt für Athen.

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