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Abbrechende Eiskanten sind ein Sinnbild des Klimawandels. Sie könnten die Erwärmung aber auch indirekt verstärken.
© imago/Anka Agency International

Report des Weltklimarats: Der IPCC zeigt der Menschheit Lösungen auf

Trotz aller schlechten Nachrichten zeigt der Weltklimarat auch auf, was die Menschheit tun kann. Nie war die Gelegenheit günstiger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Ehlerding

Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC scheint zum falschen Zeitpunkt zu kommen. Das beherrschende Thema dieser Tage ist nicht der Klimawandel, sondern der Krieg in der Ukraine und Putins Drohung, Atomwaffen einzusetzen. Lange lagen Massenvernichtungswaffen im Risikoindex des World Economic Forum als einzige noch größere Bedrohung des Planeten vor dem Klimawandel, wenn auch mit geringerer Eintrittswahrscheinlichkeit.

Das hat sich jetzt gedreht. Die Ängste aus dem Kalten Krieg sind zurück und das Ende der Welt, wie wir sie kennen, durch einen Atomkrieg scheint auf einmal viel greifbarer als durch den Klimawandel.

Trotzdem: Der jüngste Bericht der Weltklimarats IPCC kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Gerade weil die Abhängigkeit von fossilen Energien so groß ist, öffnet sich nun ein Gelegenheitsfenster für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Aus reiner Nützlichkeit gewinnen Sonnen- und Windenergie auf einmal den Stellenwert, den sie verdienen. „Freiheitsenergien“ nannte sie Finanzminister Christian Lindner (FDP). Es folgten Stoßseufzer der Erleichterung unter den Freunden der Erneuerbaren in den sozialen Netzwerken. Endlich, endlich war die Botschaft angekommen: dass uns die erneuerbaren Energien nicht nur vor Schäden durch Klimagase bewahren, sondern auch unabhängig von Schurkenstaaten machen.

Mahnungen sind lange verlacht worden, bei Putin und beim Klimawandel

Mit dieser Erkenntnis allerdings bleibt ein Finanzproblem ungelöst, das auch im IPCC-Bericht angesprochen wird. Die armen Länder der Welt brauchen Hilfe zur Bewältigung des Klimawandels, den sie nur zum sehr kleinen Teil verursacht haben, unter dem sie aber viel mehr leiden als Industriestaaten. Obwohl seit dem bahnbrechenden „Stern“-Report zur Ökonomie des Klimawandels aus dem Jahr 2006 klar ist, dass die Kosten von Klimaschutz vielfach geringer sind als die Kosten der Klimaschäden, halten die Industrieländer die Hand aufs Portemonnaie. Ihre 2009 bei der Klimakonferenz in Kopenhagen gegebene Zusage, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Anpassung und Minderung der Treibhausgase bereitzustellen, wurde nicht erfüllt. Bitter ist es nun für die Entwicklungsländer, zu hören, dass die Bundesrepublik allein von heute auf morgen 100 Milliarden Euro lockermacht, um ihre Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen – auch wenn das Geld wahrscheinlich gut angelegt ist.

Noch eine Gemeinsamkeit haben die Klimakrise als „Katastrophe in Zeitlupe“ und der Krieg in der Ukraine: Mahnungen sind lange verlacht worden, sowohl die vor Putin als auch die vor den Gefahren des Klimawandels. Auch heute noch werden Warnungen vor der Klimakrise als Alarmismus geschmäht.

[Lesen Sie hier den Blog zur Vorstellung des aktuellen IPCC-Berichts an diesem Montag in Berlin nach.]

Richtig ist zwar, dass wir nicht „nur noch zehn“ oder wie viele Jahre auch immer haben, um den Klimawandel aufzuhalten. Jedes Zehntelgrad zählt und jede Handlung zählt. Doch es stimmt auch, dass die Erderwärmung die kritische Schwelle von 1,5 Grad bis 2040 überschreiten wird. Danach, so der Plan, müsste Kohlendioxid aus der Atmosphäre geholt werden, um nach und nach zu verträglichen Temperaturwerten zurückzukehren.

Gleichheit und Gerechtigkeit als Leitschnur

Auf dem Weg dorthin, das hat der IPCC heute noch einmal unmissverständlich klargemacht, wird es unwiederbringliche Verluste geben. Verluste an Artenvielfalt und Verluste von Menschenleben. Die Klimakrise ist schon da und betrifft alle Menschen – auch uns, die wir viel mehr Ressourcen haben, uns anzupassen, als die Menschen im globalen Süden. Schön ist am aktuellen Bericht, dass der IPCC aus der unfreiwilligen Rolle des unerhörten Mahners herauskommt. Er entwirft einen Plan, wie die Welt auf die gleichzeitigen Krisen des Artenverlusts, der sozialen Ungleichheit und der Klimakrise reagieren kann. Er empfiehlt, Gleichheit und Gerechtigkeit als Leitschnur beim Klimaschutz anzulegen und die Menschen vor Ort bei allen Maßnahmen einzubinden.

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Die Mahnung ist berechtigt, wie kürzlich eine verräterische Pause in einem Redebeitrag des amerikanischen Klimagesandten John Kerry während der Münchener Sicherheitskonferenz zeigte. Es ging darum, wie sich die Volkswirtschaften des globalen Südens klimagerecht entwickeln könnten. Kerry zögerte kurz, sprach dann aber tatsächlich davon, dass man es diesen Ländern nur unter der Bedingung „erlauben“ könne, dass sie saubere Energien nutzen.

Der IPCC hat stattdessen einen gemeinsamen Weg aufgezeigt, auf dem die Menschheit mit konsequenter Klimapolitik stabile Demokratien, eine sichere Lebensmittelversorgung und soziale Gerechtigkeit erreichen könnte. Noch ist dieses Ziel weit weg. Noch finanzieren viele Länder der Erde ihren eigenen Untergang mit der massiven Subventionierung von fossilen Energien. Doch nie war die Gelegenheit günstiger, umzukehren und es besser zu machen.

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