Bargeld abschaffen: Bürger wären dem Bankensystem ausgeliefert
Die Abschaffung des Bargelds hätte für Bürger unkalkulierbare Risiken. Bürgerkonten bei der Zentralbank könnten die Freiheit sichern. Ein Kommentar.
Die Einschläge kommen näher. Erst waren es nur ein paar Wissenschaftler, die der Abschaffung des Bargeldes das Wort redeten. Larry Summers etwa oder Kenneth Rogoff, ehemalige Chefökonomen von Weltbank und Währungsfonds, fabulieren schon seit Jahren darüber, dass es keine Münzen und Scheine mehr brauche. Schließlich gehe es elektronisch schneller und billiger.
Dann sprangen mächtige Banker auf den Zug auf. Da sponserte etwa die amerikanische Citibank eine Studie, um nachzuweisen, dass mit dem Übergang zum rein digitalen Zahlungsverkehr mehrere hundert Milliarden Dollar einzusparen seien. Genauso argumentierte kürzlich auch John Cryan, der Chef der Deutschen Bank. Cash sei „als Zahlungsmittel unglaublich ineffizient und teuer“, sagte er und prophezeite, „in zehn Jahren“ werde es „keinen Bedarf an Bargeld mehr geben“.
Die 500-Euro Note soll aus dem Verkehr gezogen werden
Prompt unternimmt nun EZB-Chef Mario Draghi, als Ex-Manager von Goldman Sachs und Mitglied der Lobbygruppe G-30 der Finanzbranche eng verbunden, den ersten Schritt. Die 500-Euro-Note soll aus dem Verkehr gezogen werden, kündigte er an. Nur einen Tag später forderte Summers das Gleiche für Amerikas 100-Dollar-Scheine.
Offensichtlich, so urteilt Norbert Häring, Fachmann für Geldpolitik beim „Handelsblatt“ und Autor eines in Kürze erscheinenden Buches zum Thema, laufe da „eine abgestimmte Kampagne“ der Geldmächtigen und ihrer Freunde in Wissenschaft und Politik.
Neben dem vermeintlichen Effizienzgewinn baut die anwachsende Schar einflussreicher Bargeldverächter vor allem auf ein Argument: Geldnoten, so heißt es allenthalben, nützten vor allem Kriminellen, weil sie damit anonym ihre illegalen Einnahmen erzielen und durch Erwerb legaler Güter reinwaschen könnten. Weniger Bargeld, weniger Kriminalität, lautet das Versprechen.
Es wird gar kein Kampf gegen Geldwäsche betrieben
Doch das ist ein allzu durchsichtiger Vorwand. Die Berichte der „Financial Action Task Force“ der OECD-Staaten belegen, dass Bankaufseher Draghi und seine Kollegen den Kampf gegen die Geldwäsche gar nicht betreiben. Seit Jahren monieren da die Experten, dass Banken fast nirgendwo gezwungen werden, die Herkunft der Kundengelder zu prüfen und im Zweifel zurückzuweisen. Völlig unbehelligt können darum Kleptokraten und Mafiosi aller Länder ihre illegalen Erlöse in den legalen Kapitalmarkt einschleusen, und das ganz ohne Bargeld und sogar am Sitz der EZB in Frankfurt. „Wenn ich Mafioso wäre, würde ich mein Geld in Deutschland anlegen“, beklagt der italienische Staatsanwalt und Mafiajäger Roberto Scarpinato.
Umso härter aber würde die Abschaffung des Bargeldes die einfachen Bürger treffen. Dass sie fortan gezwungen wären, mit jedem Kauf eine endlose Datenspur zu erzeugen, wäre ja vielleicht noch zu beherrschen. Gegen die Datenkraken des Internet-Oligopols wird es ohnehin bald harte Gesetze zur Datenlöschung geben müssen. Weit gefährlicher wäre eine andere Konsequenz: Ohne die Möglichkeit, ihr Geld in bar abzuheben, wären alle Bürger auf Gedeih und Verderb einem Bankensystem ausgeliefert, das inhärent instabil ist. Würde aber privates Geld nur noch als Bankguthaben existieren, wäre das die Einladung, alle Krisenverluste per Negativzins, Gebührenwucher und notfalls Umwandlung in Aktienkapital auf die Kunden abzuwälzen.
Jeder Bürger könnte ein Konto bei der Zentralbank haben dürfen
Ist das also das eigentliche Ziel der Kampagne? Dieser Verdacht liegt jedenfalls nahe, solange die Apologeten der bargeldlosen Gesellschaft das einzige staatlich garantierte Zahlungsmittel abschaffen wollen, ohne dafür eine Alternative anzubieten. Dabei wäre eine solche leicht zu schaffen, wie es die britische Organisation „Positive Money“ jüngst mit einem überzeugenden Gutachten belegt hat: Wenn jeder Bürger ein Konto bei der Zentralbank haben dürfte, dann könnte das die individuelle Geldfreiheit auch elektronisch sichern. Ein jeder könnte das staatlich garantierte Zahlungsmittel in beliebiger Höhe nutzen, ohne dabei von Bankenkrisen bedroht zu sein. Nur so wäre der Übergang zu einem E-Cash-System mit den Grundrechten vereinbar.
Natürlich hätte auch das seine Tücken. Denn früher oder später würden alle Bürger ein solches Konto beim Staat führen. Das herkömmliche Geschäftsmodell der Banken, das auf die Nutzung der Kundeneinlagen als Sicherheit setzt, wäre damit am Ende. Ihnen bliebe nur noch die Aufgabe, Anlagen aller Art an die Sparer zu vermitteln. Deutschbanker Cryan und seine Kollegen sollten vielleicht noch mal überlegen, was sie sich da eigentlich wünschen.