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Jan Böhmermann sitzt in der Kulisse seiner Show «Neo Magazin Royale».
© Ben Knabe/ZDF/dpa

Jan Böhmermann vs. Angela Merkel: Böhmermanns Klage trifft die Richtigen

Die Kanzlerin hat Jan Böhmermanns Erdogan-Schmähgedicht "bewusst verletzend" genannt. Jetzt klagt er auf Unterlassung. Zu Recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

So ist es mit den Spaßmachern. Auf einmal machen sie ernst, und keiner weiß warum. Wirklich nicht? Jan Böhmermann, der nun gegen Angela Merkel prozessiert, hatte darüber Witze gerissen, dass die deutsche Erdogan-Satire doch eher dröge sei, hatte sich über den Rechtsrahmen für deren Zulässigkeit sowie Erdogans Empörung mokiert und das Arrangement in einem spektakulären Selbstversuch mit seinem „Schmähgedicht“ gekrönt. Statt Applaus gab es Morddrohungen, ein paar Tage mit der Familie fern von zu Hause unter Polizeischutz und eine Kanzlerin, die öffentlich erklären ließ, der TV-Unterhalter habe Erdogan absichtlich beleidigen wollen. „Bewusst verletzend“, hieß es wörtlich.

Böhmermann zielte mit seiner Erdogan-Satire auf die Richtigen

Hätte Böhmermann das alles vorausahnen müssen? Vielleicht. Hätte er es deshalb unterlassen müssen? Nein. Die Kunst ist frei, die Satire ist frei, die Presse ist frei. Man darf viel im Namen dieser Freiheit, weshalb auch die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt wurden. Die staatsanwaltschaftliche Interpretation der Szenen hatte, anders als die von Erdogan und Merkel, ergeben, dass die Verse nur vordergründig den türkischen Politiker trafen. In Wahrheit ging es um uns, die wir über Satire richten. Dass einige Gerichte das noch nicht ganz begriffen und das „Schmähgedicht“ in Teilen verboten haben, bestätigt, dass Böhmermann auf die Richtigen zielte.

Am Dienstag verhandelt das Verwaltungsgericht eine Unterlassungsklage Böhmermanns gegen Merkel

Übrig bleibt der Ernst. Am Dienstag verhandelt das Verwaltungsgericht die Unterlassungsklage des Entertainers. Der Bundesregierung ist die Sache so peinlich, dass sie alles dafür tat, dass möglichst wenig über den Vorgang berichtet wird. Glücklicherweise erfolglos. Wenn ein deutscher Künstler auf internationaler Ebene einen Affront auslöst, hat sich eine Regierung zurückzuhalten. Merkel wollte den schäumenden Erdogan besänftigen; verständlich zwar – aber auf Kosten eines eigenen Bürgers. Das war für ihre Verhältnisse erstaunlich unüberlegt. Das anschließende Gerede vom „Fehler“ wirkte ehrlich, doch dann müsste man den Vorwurf konsequenterweise abräumen. Das ist nicht geschehen. Denn auch wenn Frau Kanzlerin einen Fehler macht, die Bundesregierung macht nie welche.

Böhmermann wird nun mitunter vorgeworfen, er sei eine Mimose, er solle sich mal nicht so anstellen, er teile schließlich auch aus. Merkwürdig. Als Mohammed-Karikaturen die arabische Welt 2006 in Aufruhr brachten, nannte kein Staatschef sie „bewusst verletzend“, was manche von ihnen durchaus waren. Damals warfen sich alle für die Kunst- und Meinungsfreiheit in die Bresche und niemand sprach davon, dass man auch hart sein muss, wenn man mit spitzer Feder angreift. Erneut so ein auffälliger Widerspruch, auf den die Satire Böhmermanns auch jetzt noch verweist, in ihrem ernsten Teil. Sein Witz traf die Richtigen. Seine Klage tut es auch.

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