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Die Beziehungen zwischen Polen und der EU waren schon lange nicht mehr so angespannt wie jetzt.
© dpa

Polnisch-Deutsche Beziehungen: Beobachten reicht

Das Verhältnis zwischen Europa und Polen ist gestört. Was jetzt hilft, ist Maß zu halten. Ein Kommentar

Es ist schmerzhaft mitzuerleben, wie in diesen Tagen etwas Wertvolles in Europa gedankenlos preisgegeben wird: Vertrauen zwischen Polen und Deutschen. Der Respekt voreinander. Und das in dem Jahr, in dem beide Völker eigentlich den 25. Geburtstag des Vertrags über gute Nachbarschaft feiern wollen samt all dem guten Willen und den Fortschritten in dem Vierteljahrhundert seit der Wende zur Freiheit 1989/90.

Man kann kaum noch sagen, was zerstörerischer wirkt: der Umgang der nationalkonservativen PiS-Regierung in Warschau mit dem Verfassungsgericht und den Medien, der zu Recht Beunruhigung auslöst. Oder die arroganten Drohungen von Spitzenpolitikern der EU mit Strafmaßnahmen. Oder der Reflex der PiS, zur Verteidigung die antideutsche Karte zu spielen.

Einberufung des Botschafters war eigentlich eine Einladung

Freiheit, auch die Meinungsfreiheit, erfordert Verantwortung und Wahrhaftigkeit – und dies umso mehr, je mehr Macht ein Politiker oder ein Medium ausübt. Eine Reihe einflussreicher Politiker und Medien führt die Öffentlichkeit in diesem Streit in die Irre, im Kleinen wie im Großen. Ein Beispiel vom Montag: Es ist schlicht gelogen, dass Polens Außenminister den deutschen Botschafter einberufen habe, um eine angebliche Kritik der deutschen Regierung zurückzuweisen. Es war eine Einladung zum Gespräch über das Jubiläumsjahr.

Es wird noch wirrer, wenn einige polnische Regierungsmitglieder und ihnen nahestehende Medien als Grund des Ärgers Äußerungen von Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, und von EU-Kommissar Günther Oettinger nennen. Welchen Sinn ergibt es, sich über Äußerungen von Repräsentanten Europas, nur weil sie zufällig deutscher Abstammung sind, beim Vertreter der Bundesregierung zu beschweren? Zumal die sich klugerweise mit Vorverurteilungen zurückhält.

Mehr als ein paar Nachbesserungen kann die EU nicht erreichen

Es ist ebenso Schwindelei, wenn Schulz, Oettinger oder auch Volker Kauder, Chef der CDU/CSU-Fraktion, so tun, als ständen Strafen für Polen wie der Entzug des Stimmrechts oder die Kürzung von EU- Geldern unmittelbar bevor. Das Europäische Parlament wird am Mittwoch die Entwicklung in Polen debattieren; es ist gut und richtig, die Besorgnisse klar zu formulieren. Die EU wird wohl den Beobachtungsmechanismus auslösen, also einen Fragenkatalog nach Warschau schicken zu dem, was die Regierung mit den neuen Gesetzen bezweckt. Im Fall Ungarn, der problematischer ist als Polen bisher, waren nach Monaten ein paar Nachbesserungen in der Medienpolitik das Ergebnis. Mehr wird auch diesmal nicht herauskommen. Das EU-Recht gibt mehr nicht her.

Was die PiS tut, ist rücksichtslos und schädlich für die demokratische Kultur, wird aber Polens Demokratie und Rechtsstaat nicht zerstören. Polen hat Widerstandsgeist, hat mit der Solidarnosc den Kommunismus gestürzt, wird mit der Zeit auch die PiS wieder entmachten. Deutsche und Europäer können helfen, indem sie sich klar, aber maßvoll äußern und ihre jeweiligen Kontakte stärken: Bundesverfassungsrichter mit ihren polnischen Kollegen, Journalisten mit den unabhängigen polnischen Medien, Schulen mit Schulen. Die Scharfmacher verdienen nicht auch noch Verstärkung.

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