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Buschkowsky ist überall: Das neue Buch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters.
© dapd

Gastkommentar: Bashkowsky: Auf die Fresse ist überall

Die Bloggerin Maike von Wegen kritisierte Heinz Buschkowsky im Netz für sein neues Buch. Hier schildert sie, wie sie sich anschließend gegen einen Shitstorm epischen Ausmaßes wehren musste. Sie sagt: "Im Namen Buschkowskys geschieht Gewalt im Internet."

Zwischen der Politik und dem Internet herrschen seit jeher viele Kommunikationsirrtümer. Johannes Singhammer lädt Journalisten per analogem Brief zu seinem Twitteraccount ein, die Hasloher CDU per Facebook gleich die ganze Welt zum Sommerfest und Peter Altmaier twittert "Jens Spahn", anstatt ihn zu googeln. Kein Wunder, dass unsere Regierung das Netz besser überwachen möchte und am liebsten alle unsere Daten auf der Stelle speichern will. Der gemeine Politiker fürchtet sich vor dem Netz, weil er es nicht versteht. Und darum ist es auch gang und gäbe, diese Arbeit lieber jemand anderem zu überlassen. Das hat zu Guttenberg so gemacht, so hält es auch Horst Seehofer und unzählige andere Politiker, und sie ersparen sich damit eine Menge Ärger. Es gibt ganze Kommunikationsagenturen, die sich mit nichts anderem als den Netzwerkseiten für solche Stars oder Politiker beschäftigen.

Der Bürgermeister von Neukölln – Heinz Buschkowsky – hat es da sogar noch sehr viel einfacher. Seine Facebookseite wird angeblich von einer Instanz betrieben, die sich in der Beschreibung der Seite selbst als „ehrenamtliche Unterstützer“ betitelt. Die Facebookseite von Heinz Buschkowsky hat 2150 Anhänger. Einen Tag vor der Veröffentlichung von Auszügen seines neuen Buches „Neukölln ist überall“ in der Bild-Zeitung waren es bloß 32. Die meisten der neuen Fans waren noch nie in Berlin-Neukölln und haben bis zu Beginn der Debatte um sein Buch den Namen des Lokalpolitikers noch nie gehört.

Es sind fast ausnahmslos Menschen, die sich auf der Facebookseite in der immer selben Polemik bedanken. „Endlich spricht jemand die Wahrheit aus“, das ist der quantitative Anführer unter den Chronikeintragungen. Am Tag der ersten Veröffentlichung in der Bild hinterließ auch ich einen Kommentar auf der Seite, in welchem ich Heinz Buschkowsky Rassismus vorwarf, und damit zog ich mir den größten Shitstorm zu, in dessen Mitte ich jemals stand. Man beleidigte mich in den Kommentaren, man schrieb mir Hassmails, stürmte meine Blogs und trollte dort herum. Stündlich musste ich Menschen blockieren und aus meiner Privatsphäre vertreiben, weil sie mich auf allen Ebenen angriffen und denunzierten. Als ich mich aus der Diskussion zurückzog, ging es erst so richtig los: Nun schrieb man eigene Beiträge, die sich nur mit meiner Arbeit beschäftigten und nichts mehr mit der Buschkowsky-Debatte zu tun hatten.

Man postete Links zu meinen Blogs und meiner Musik und verunglimpfte mich. Irgendwann schrieb jemand, er habe in all meinen Impressen nicht meine Privatadresse herausfinden können, sondern bloß die meines Host, woraufhin einige Stunden später mein Blog und alle Blogs dieses Betreibers down waren. Man hackte meinen Blog für Alleinerziehende, den Blog von Helmut Zerlett, des Bundesverbandes für Film- und Fernsehschauspieler, die Seite des Zürcher Filmfestivals und viele mehr. Mehrfach schrieb ich an die Betreiber der Seite, sie mögen betreffende Kommentare bitte löschen, Nutzer abmahnen und im Notfall blockieren, aber auf meine Zuschriften erhielt ich niemals eine Reaktion. Nachdem ich mich ein drittes Mal gemeldet hatte, verfasste man einen neuen Infotext, der klarstellen sollte, dass die Seite nicht von Buschkowsky selbst betrieben würde, sondern von ehrenamtlichen Helfern der SPD Neukölln. Also wandte ich mich an diese.

Ich rief an und sprach zweimal auf das Band und schrieb mehre Mails, bevor ich nach einigen Tagen endlich Antwort erhielt. Die Geschäftsführerin der SPD Neukölln, Yvonne Opprower, schrieb mir, man wisse in der SPD Neukölln nicht, wer diese Seite betreiben würde, und sie distanzierte sich indirekt von ihr. Wenn man mehr in Erfahrung bringen könnte, würde man sich erneut bei mir melden. Darauf folgte nichts mehr. Auf der Facebookseite tobte der Krieg gegen meine Person indes fröhlich weiter und ich musste mit ansehen, wie Menschen nach mir traten, die ich nicht einmal kannte und die mich auf jeder Ebene meines Lebens zu verletzen versuchten. Und ich war nicht die einzige. Jeder, der sich kritisch äußerte, bekam und bekommt noch immer von den Usern sein Fett weg. Im Namen Heinz Buschkowskys geschieht nun seit drei Wochen Gewalt im Internet, die durch keinen Administrator kontrolliert wird. Deutsche Bürger schlagen verbal auf andere deutsche Bürger ein und ergießen sich in rassistischen Hassreden auf der Internetseite eines Sozialdemokraten.

Die Administratoren lassen alles geschehen, niemand greift ein, keiner kennt die einzigen Personen, die dazu in der Lage wären, doch die SPD wehrt sich auch nicht gegen das, was da in ihrem Namen geschieht. Heinz Buschkowsky ist damit eine marktstrategische Spitzenleistung gelungen. Denn nun kann endlich einer gegen den anderen wettern im Volk, der Bürgermeister selbst ist frei von jeglicher Verantwortung – von der für seinen Stadtteil, weil er sie in seinem Buch ja anderen zuschreibt – und von der gegenüber all denen, denen in seinem Namen nun Gewalt angetan wird. Eigentlich eine super Marketingidee, diese „ehrenamtlich geführte“ Facebookseite. Man kann für allerlei Aufsehen sorgen und in aller Munde dafür sein, aber Verantwortung dafür tragen andere. Die selben wie immer: Die einfachen Menschen des Volkes.

Maike von Wegen ist Musikerin und Autorin. Im Juni 2013 erscheint ihr Debüt bei Droemer. Sie hat für Fernsehserien und diverse Magazine getextet, leitet die Blogs gewalltag, mutterseelenalleinerziehend und 44°. Ihre CD "Gut, alles" (Meike Büttner) kann man über amazon oder den itunesstore erhalten.

Maike Wegen

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