Deutsche Türken: Auswanderer sind ein Warnzeichen
Es sind gerade die erfolgreichen türkischstämmigen Deutschen, die eine fehlende Willkommenskultur beklagen. Für immer mehr dieser Jungen wird deswegen die aufstrebende Türkei zur Alternative, wenn es darum geht, wo sie ihr Glück machen wollen.
Sprechen Sie Deutsch? Das hat sich der erfahrene Anwalt kürzlich fragen lassen müssen vom Richter, obwohl dem seine dicke Klageschrift vorlag. Der deutsche Staatsbürger mit türkischem Namen will das nie wieder hören in seiner Heimat. Ja, es ist ihre Heimat geworden, seit vor 50 Jahren die ersten türkischen Arbeitskräfte nach Deutschland kamen. Der Anwalt, der Mediziner, die Unternehmer, Handwerker und Studentinnen, sie verkörpern alle eine Erfolgsgeschichte. Sie haben dieses Land verändert und mit ihren Talenten zum Wohlstand beigetragen, diese 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln, von denen 700 000 inzwischen deutsche Staatsbürger sind – auch die 180 000 türkischstämmigen Berliner in der größten türkischen Stadt außerhalb der Türkei.
Es sind ihre Leistungen. Diese hunderttausende Menschen mit türkischen Wurzeln, die erfolgreich ihr Leben meistern, sind es deshalb leid, wenn immer wieder aufs Neue verlangt wird, sich gefälligst zu integrieren. Sie fühlen sich dadurch zu Fremden gemacht, zurückgewiesen in dem Angebot, ihre Ideen und ihr Können einzubringen. Ihre Integration haben sie längst geleistet, sie vermissen von der Gesellschaft vielmehr die Bereitschaft, die Selbstverständlichkeit ihrer Karrieren anzuerkennen – und sie partizipieren zu lassen in allen Bereichen, durch ihr Können, nicht durch Quoten. Es sind gerade die erfolgreichen türkischstämmigen Deutschen, die eine fehlende Willkommenskultur beklagen. Besonders die hier geborenen Leistungswilligen leiden unter den subtilen Zurückweisungen des Alltags. Für immer mehr dieser jungen Deutschen wird deswegen die aufstrebende Türkei zur Alternative, wenn es darum geht, wo sie ihr Glück machen wollen. Deutschland diskutiert über notwendige Zuwanderung, ist aber längst ein Auswanderungsland. Auch die sinkenden Einbürgerungszahlen sind ein Warnzeichen.
Es muss an diesen Tagen deswegen daran erinnert werden, dass es vor 50 Jahren nicht um Integration ging, sondern um Arbeitskräfte, und anders als bei den vorherigen Verträgen mit Italien oder Portugal ein Familiennachzug ausdrücklich nicht vorgesehen war. Diese politische Ignoranz hat neben der massierten Anwerbung kulturferner Hilfskräfte zu einem ungeregelten Nachzug von Familien beigetragen – mit allen Problemen, die wir in Berlin täglich beobachten: bildungsferne Familien, analphabetische Mütter, Schulkinder mit rudimentärem Deutsch, Jugendliche ohne Schulabschluss und übler Sozialprognose.
Diese Kinder verdienen alle schulische Unterstützung, soziale Fürsorge und rechtzeitiges wie rigides Eingreifen der Rechtspflege, weil es sich das geburtenschwache Deutschland nicht leisten kann, irgendeines von ihnen aufzugeben. Diese Probleme aber sind, anders als es Thilo Sarrazin weismachen will, nicht Ausdruck minder intelligenter Türken. Es ist kein Ausländerproblem, sondern ein soziales Problem, wie es gleichermaßen in deutschen Unterschichten zu finden ist. Und wie nicht jeder Deutsche verantwortlich ist für biodeutsche, dauersaufende Bildungsverweigerer, gilt das auch für türkischstämmige Zuwanderer.
Die kommende rot-schwarze Landesregierung will Berlin zur europäischen Modellstadt für Integration machen. Gerade die Berliner CDU, die klar auf fördern und fordern setzt, könnte eine alltagstaugliche Integrationspolitik befördern – ohne falsche Romantik, ohne diskriminierende Zurückweisung. Zu tun gibt es vieles. Deutschland braucht klare Zuwanderungsregeln, an Qualifikationen orientiert. Schon Deutschlands erster Ausländerbeauftragter Heinz Kühn schlug ein kommunales Wahlrecht für noch nicht eingebürgerte Zuwanderer vor – 1979. Es fehlt immer noch. Eine doppelte Staatsbürgerschaft, wie sie der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel fordert, löste viele innere Konflikte und erleichterte es Unternehmern, deutsch-türkische Betriebe aufzubauen. Und über eine Zuwanderung durch anatolische Zuzugsbräute muss sich zudem keiner beklagen, der zulässt, dass zehntausende ausländische Uni-Absolventen nur in Ausnahmefällen hier bleiben dürfen oder in der Türkei erworbene Qualifikationen hier nur eingeschränkt anerkannt werden.
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