Einbürgerung: Immer weniger Einwanderer wollen den deutschen Pass
Jeder dritte Berliner Schüler stammt aus einer Migrantenfamilie. Der Senat will, dass mehr von ihnen Lehrer werden. Die Zahl der Einbürgerungen ist zurückgegangen.
Immer weniger in Berlin lebende Ausländer möchten Deutsche werden. Im vergangenen Jahr erhielten gerade 5537 bis dahin nichtdeutsche Berliner den deutschen Pass. Und das in einer 3,4-Millionen-Einwohner-Metropole. Das ist ein Rückgang um zwölf Prozent im Vergleich zu 2009, und auch in jenem Jahr war die Einbürgerungszahl schon um 700 Personen gesunken. Dabei hatte der Senat mit einer jahrelangen Kampagne, etwa mit Anzeigen in der türkischen Zeitung „Hürriyet“, für Einbürgerung geworben. Auch die Zahl der Einbürgerungen in Brandenburg ist zurückgegangen: 2010 wurden nur 407 Personen eingebürgert, rund zehn Prozent weniger als 2009.
Um deutscher Staatsbürger zu werden, gibt es noch immer Voraussetzungen, die von vielen als eng empfunden werden, auch wenn sie gelockert worden sind: Neben Sprachzertifikaten ist vor allem ein ausreichendes Einkommen erforderlich, Antragsteller dürfen in der Regel nicht dauerhaft Sozialleistungen beziehen. Außerdem kostet die Einbürgerung insgesamt oft hunderte Euro, allein die Amtsgebühr beträgt 255 Euro. Werden Anträge genehmigt, müssen sich die Bewerber für eine Staatsangehörigkeit entscheiden – und genau das ist für viele Migranten ein Problem: „Dass hierzulande doppelte Staatsbürgerschaften nicht erlaubt sind, macht die Sache nicht einfach“, sagt Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening. In Ländern mit liberalerer Integrationspolitik – etwa Großbritannien und Frankreich – haben Einwanderer oft mehrere Staatsbürgerschaften.
Die Integrationsexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Canan Bayram, sagte, dass gerade qualifizierte Migrantenkinder oft in die Heimat ihrer Eltern oder in klassische Einwanderungsländer gingen: „Die Stimmung hierzulande ist nicht immer einladend.“ Auch mit einem deutschen Pass fühlten sich viele Neubürger nicht akzeptiert. „Wenn man sich nicht willkommen fühlt und dann zwischen deutscher und türkischer Staatsbürgerschaft entscheiden muss, entscheiden sich eben viele für die türkische“, sagte Kaya Turan vom Türkischen Bund.
Der Integrationsbeauftragte wies darauf hin, dass sich die Zahl der Einbürgerungen bundesweit seit 2000 sogar fast halbiert hat. „Berlin steht besser da. Hier werden Anträge außerdem oft innerhalb von sechs Monaten geklärt, was schneller ist als in vielen anderen Bundesländern“, sagte Piening. Als wesentlicher Grund für den Rückgang gilt auch, dass Kinder aus Einwandererfamilien seit 2000 leichter die Staatsbürgerschaft erhalten und sich deshalb weniger Eltern um eine Einbürgerung bemühen.
Besonders an Berliner Schulen werden Neubürger aus Einwandererfamilien gebraucht. Obwohl inzwischen fast jeder dritte Berliner Schüler einen Migrationshintergrund hat, trifft dies auf nur zwei Prozent der Lehrer zu. Das soll sich ändern: Grundschullehramt oder Wirtschaftpädagogik, fragt sich zum Beispiel Suada Beganovic. Die 21-Jährige macht in Lichterfelde gerade das Abitur, ihre Eltern kommen aus Bosnien. Sie habe sich Lehrer gewünscht, die „einen ähnlichen Werdegang“ haben. Unter dem Motto „Mehr Migranten werden Lehrer“ lernen Suada und 29 weitere Einwandererkinder jetzt in einem stiftungsgeförderten Programm den Lehrerberuf kennen. Organisiert wird die Aktion vom Netzwerk für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. „Heterogene Schülerschaft braucht heterogene Lehrerschaft“, sagte Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke (SPD), die das Netzwerk unterstützt.
Derzeit dürfen übrigens 408 000 der wahlberechtigten Berliner im September nicht für das Abgeordnetenhaus abstimmen, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben – obwohl sie oft Jahrzehnte in der Stadt leben. Die meisten Neueingebürgerten kommen aus Osteuropa, Türkei, Libanon und Vietnam.
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