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Bundeskanzlerin Angela Merkel erreicht hohe Popularitätswerte.
© dpa

Die Kanzlerin vor der Wahl: Angela Merkel und der Fluch der Popularität

Kanzlerin Angela Merkel genießt breite Popularität. Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl sieht es so aus, als sei ihre Wiederwahl gelaufen. Doch genau das könnte ihr gefährlich werden, meint Robert Birnbaum, denn sie könnte ihr Amt aus Versehen verlieren.

Die Kanzlerin hat über Ostern ein paar Tage frei und also Zeit, ein bisschen nachzudenken. Noch ein halbes Jahr bis zur Wahl, die innenpolitische Maschinerie läuft quietschend und stotternd dem Ende der Gesetzgebungsperiode entgegen, die Euro-Krise kommt kurz zurück und geht gleich wieder. Wenn man die Leute auf der Straße reden hört, dann sagen sie: Die Merkel bleibt sowieso Kanzlerin. Sogar Leute mit Oppositionsparteibuch in der Tasche reden so. Für Angela Merkel wird es also dringend Zeit, sich eine Frage zu stellen, die nur im ersten Moment skurril klingt: Kann so viel Popularität gefährlich sein?

Das Phänomen ist an sich schon dazu angetan, ein gewisses Misstrauen zu wecken. Merkel hat bereits als Kanzlerin der großen Koalition einen Spitzenplatz in den Beliebtheitsrankings belegt. Damals erklärten sich das viele damit, dass naturgemäß auch SPD-Anhänger die Chefin der gemeinsamen Regierung schätzten; das bescheidene CDU-Wahlergebnis von 2009 stützte diese Theorie.

Aber sie war höchstens halb richtig – Merkel steht heute noch viel stabiler da. Wer nach den Gründen sucht, landet bei einer doppelten Krise: der des Euro und der des Regierungsbündnisses. In beiden Bewährungsproben wirkte die unaufgeregte Frau an der Spitze als eine der wenigen, die ihr Geschäft ernsthaft betreibt. Ein kluger Beobachter aus der Union hat das auf den Vergleich gebracht, Merkel habe zu den Bürgern ein Verhältnis hergestellt wie ein Arzt zu seinen Patienten: Die verstehen die Diagnose nicht genau und die Therapie überhaupt nicht; aber sie vertrauen darauf, dass die Frau Doktor sich nach bestem Wissen Mühe gibt.

Dieser Eindruck ist so stark, dass er sich gegen alle Drehungen, Wendungen und Richtungswechsel der CDU-Chefin wie der Euro-Retterin behauptet – sehr zum Ingrimm der Opposition. Dort hätten sie Merkels Sorgen gerne; stattdessen haben sie einen Gegenkandidaten, dessen Ostergeschenk darin besteht, dass er sie mal ein paar Tage mit Klartext verschont. Wie verzweifelt die Lage ist, macht unfreiwillig der SPD-Chef deutlich, wenn er mit einem Schreckgespenst „Schwarz-Grün“ versucht, die drohende Abwanderung eigener Wähler zum vorgeblich wankelmütigen Wunschpartner zu verhindern.

Merkel könnte sich also zurücklehnen. Sicher, da gibt es dieses Gezappel in der CDU um Homo-Ehe, Frauenquote oder Mindestlöhne, um all diese unausgestandenen Konflikte, die eine rot-grüne Mehrheit im Bundesrat clever zu schüren weiß. Da gibt es das halbstarke Profilierungsgerede einer FDP, von der heute niemand sagen kann, ob sie bis September zur Koalitionsfähigkeit heranwächst.

Doch Parteifreunde und Partner werden es alleine nicht schaffen, Merkel um ihr Amt zu bringen. Da braucht es etwas Drittes, das auch mit P anfängt: eben ihre Popularität. In den Wahlkampfstäben der Union grübeln einige schon darüber, wie man an jenem 22. September eine Wählerschaft aus den Sesseln bewegt, die glaubt, die Sache sei gelaufen.

Dieser Eindruck, es gehe bloß noch um die Rangfolge der künftigen Assistenten in der Praxis Dr. Merkel, ist ziemlich gefährlich. Er schafft ein einschläferndes Klima. Und die Schwäche des Kandidaten Peer Steinbrück befördert das sogar. Eingeschläfert werden aber diesmal auch die, deren Stimme die CDU-Chefin braucht: die eigenen Anhänger und solche, die um dieser Kanzlerin willen notfalls heimlich CDU ankreuzen würden. Merkel muss nicht fürchten, dass die Leute sie aus Überdruss abwählen. Aus Versehen passieren kann es ihr schon.

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