Hingehen: Adam Jeppesen bei c/o Berlin: Zerbrechliche Riesen
Der dänische Fotograf Adam Jeppesen zeigt in der Ausstellung "Out of Camp" bei c/o Berlin seine imposanten Naturbilder.
So viel Freizeit wie Adam Jeppesen müsste man haben. 487 Tage hatte der Däne. Aber, das muss man ihm lassen, genutzt hat er sie: Vom Nordpol bis in die Arktis ist er gewandert, seine Kamera stets griffbereit. Damit hielt er fest, was immer seine Wege kreuzte: Berge, Gletscher, gewaltige Fels- und Wüstenlandschaften, Wälder, Himmel.
Seine Aufnahmen sind noch bis zum 25. September bei c/o Berlin (Hardenbergstraße 22-24, tgl. 10-20 Uhr) in der Ausstellung „Out of Camp“ zu sehen.
Vier Fotoreihen in drei Räumen. Alle zeigen Reisebilder, sehr schöne, taugen auch für den Bildschirmhintergrund im Büro. Darf man natürlich nicht, wegen der Rechte. Jeppesen – seit 2008 in der Fotoszene etabliert – hat seine Motive modifiziert. Für die Reihe „XCopy“ hat er sie zunächst auf eine Megaformat vergrößert, dann stückchenweise unter einen Kopierer gelegt und aus den schwarz-weißen DIN- A4-Blättern wieder zusammengesetzt. Die Puzzelteile hat er mit vielen Stecknadeln festgepinnt.
Dadurch bekommen die 2D-Bilder einen 3D-Touch. Die riesigen Bäume und Wurzeln wirken plötzlich fragil, was einen schönen Kontrast ergibt. Besonders spannend ist das Foto, das einen Wald zeigt, in dem wohl mal ein Mann stand. Doch das Bild wurde so lange belichtet, dass nur noch eine schemenhafter Umriss zu erkennen ist. Nicht nur die Natur wirkt fragil, ebenso die Zeit. Zumal die Nadeln mit dem Medium selbst korrespondieren. Ein Foto ist ja immer eine Momentaufnahme und dieser Moment, der gleich wieder vergeht, wird hier mit Nadeln noch einmal zusätzlich fixiert.
Risse und Kratzer symbolisieren die Vergänglichkeit
Die Reihe „Folded“ spielt mit einer ähnlichen Idee: Sie zeigt Inkjet-Drucke auf Reispapier. Hauptsächlich von Gletschern. Sehr groß alles. Diese Drucke wurden auf A4-Größe gefaltet, wieder auseinandergefaltet und dann gerahmt. Durch den Falzprozess sind die massiven Gletscher von feinen Linien durchzogen, was paradox und schön wirkt, fast wie eine Mahnung an den Betrachter: „Ich habe eine harte Schale, aber ich bin auch verletzlich, also mach mich nicht kaputt.“ Alle Bilder sind übrigens ein bisschen angeschlagen, weil die Oberfläche der Negative von der Expedition Kratzer bekommen hat. Was die Vergänglichkeit noch einmal besonders betont. Diese thematisiert auch die Serie „Ghosts“, die vor allem Himmelsaufnahmen zeigt und mit Motivwiederholungen arbeitet. Adam Jeppesen hat beim Druck nur einmal Farbe aufgetragen, aber mehrere Abzüge erstellt. Deswegen ist nur ein Bild deutlich erkennbar, alle nachfolgenden Abzüge fallen von Mal zu Mal blasser aus. Das ist weit weniger eindrucksvoll als die anderen Reihen. Auch längeres Gucken ändert daran nichts.
Die Naturmotive sind in tausende kleiner Lichtpunkte zerlegt
Also lieber weiter zur Serie „Scatter“. Hier werden Bildausschnitte gezeigt, mal klein mal groß, mit körnigen Bildpunkten. Zu erkennen ist meist nichts, also nur ein bisschen, die Natur ist hier abstrakt und so verpunktet, dass sie unwirklich aussieht. Passt zum Untertitel der Ausstellung: „Talking about photography“, also: Reden über Fotografie.
Eine Anregung darüber nachzudenken, wie Fotografie etwas Echtes, Natürliches in etwas Artifizielles überführt. Substanz in tausend kleine Lichtpunkte zerlegt und je nach Belichtung und Blende zu etwas Realistischem oder aber Abstrakten wieder zusammengesetzt. Das ist schon was. Deutlich mehr als ein gegoogeltes Naturbild für den Bildschirmhintergrund auf jeden Fall. Aber man muss sich Zeit nehmen, sonst sind die Bilder schneller weggeguckt, als dass sie wirken können.
Julius Heinrichs
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