zum Hauptinhalt
Sie pfeift auf bildungsbürgerlichen Dünkel. Maren Kroymann gastiert vom 27. bis 30. April in der Bar jeder Vernunft.
© Mirjam Knickriem/photoselection

Entertainment vs. Hochkultur: Zeigt mir echte Menschen

Was ist eigentlich gute Unterhaltung? Entertainerin Maren Kroymann sinniert über eine viel diskutierte Frage.

Was gute Unterhaltung ist, ist nicht so ganz einfach zu definieren. Gute Unterhaltung ist jedenfalls besser als schlechte Hochkultur. Gute Unterhaltung macht ein gutes Gefühl, aber sie verbindet das Moment des Gefallens auch mit einer Öffnung des Horizonts und funktioniert idealerweise so, dass man hirnmäßig eine leichte Veränderung registriert. Gerade beim Kabarett kann sie aber auch eine bestätigende Funktion haben. Das ist legitim, besonders wenn Konservative regieren. So wie das im Kalten Krieg und danach war, in der Hochzeit des politisch-literarischen Kabaretts eines Dieter Hildebrandt, der mich geprägt und einst vergeblich ins Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft eingeladen hat.

In konservativen Zeiten – und die nähern sich ja gerade wieder bedrohlich – sucht man überall Verbündete, in der Literatur, der Musik, dem Fernsehen. Da ist man froh, wenn Kabarettisten einem helfen, auf einen gedanklichen Stand zu kommen, den man selber nicht so scharf und klug formulieren kann. Schwierig ist's, wenn die abweichende Meinung der Mainstream wird. Wo verorte ich mich dann mit meiner Kritik? Als Feministin und Lesbe bin ich ja eine Befürworterin der Selbstkritik vom ersten Moment der Minderheitenbildung an. Ich habe was gegen das manchmal dort anzutreffende Gefühl, wir sind zwar weniger, aber toller, also die Elite.

Dogmatismus bringt uns nicht weiter. Das habe ich in den linken Gruppen der Siebziger für das ganze Leben gelernt. Genau da kommt die Satire ins Spiel. Deren ehrenwerte Aufgabe ist es, von Anfang an feindlich gegen solche Entwicklungen zu sein. Sie leistet die qualifizierte Selbstkritik, mit der man über das Lachen Wahrheiten transportiert. Lutz Deisinger und Holger Klotzbach haben in mir ganz richtig eine Seelenverwandte vermutet, als sie mich gleich am Anfang fragten, ob ich Schirmherrin der Bar jeder Vernunft sein will.

Cora Frost, Gayle Tufts, Thomas Pigor - das sind alles Originale

Das anarchische Kabarett, das Holger Klotzbach als Mitglied der „3 Tornados“ gemacht hat, das war saugute Unterhaltung – wortwörtlich mit Haltung. Die haben in den frühen Achtzigern einerseits die Machtverhältnisse angeprangert, andererseits als erste auch eine Selbstverarschung der Studentenbewegung betrieben. Respektlos, provokant in ihrem betonten Dilettantismus und auf jeden bildungsbürgerlichen Dünkel pfeifend. Von dem setze ich mich ja gern ab, gerade weil ich selber eine Bildungsbürgerin bin. Ich komme aus einem altphilologischen Professorenhaushalt. Ganz Tübingen war eine einzige Ansammlung von Professoren. Da kriegst du auch mit, was Dünkel ist, und ich hatte immer den Wunsch, den zu unterlaufen.

Es ist nicht nur die Bildung, die einen zum Menschen macht. Womit wir wieder bei der guten Unterhaltung wären. Der Anspruch an sie kann genauso hoch sein wie der, den man an die seriösen Künste Malerei, Literatur, Tanz und Theater anlegt, aber es ist das leichtere Genre. Und da spielt Charme eine wichtige Rolle. Charme ist keine Kategorie im Feuilleton, aber in der Unterhaltung. Da möchte ich gern etwas Persönliches entdecken, etwas, das den Menschen ausmacht. Deswegen finde ich auch freie Theatergruppen wie She She Pop so toll, weil es da ans Eingemachte geht, ich da was von den Personen sehe.

Wir leben in einer Zeit, in der die Selbstdarstellung durchprofessionalisiert ist – in Talkshows, Casting-Shows, Fernsehumfragen oder in den sozialen Medien. In der Unterhaltung möchte ich dagegen etwas erhaschen, das über diese Scheinprofessionalität der Selbstdarsteller hinausgeht, und mir einen echten Menschen zeigt. In der Kleinkunst geschieht das durch poetische Sängerinnen wie Georgette Dee und Cora Frost und durch den subversiven Pop der Geschwister Pfister. Es blitzt auf im amerikanisch geprägten Entertainment von Gayle Tufts und schimmert in den Großstadt-Rhapsodien von Thomas Pigor durch. Das sind alles Originale. Sie erfüllen den Jubiläumsslogan der Bar jeder Vernunft. Er lautet „Die Kunst der Unterhaltung“ und setzt somit die Unterhaltung als Genre der Kunst und macht sie zum Teil der Hochkultur.

Die Bar jeder Vernunft lockt uns aus dem Schubladendenken

Man darf ja nicht vergessen, dass die Kleinkunst auch heute immer noch vielen als Genre für Amateure gilt, so nach dem Motto „Und was machen Sie beruflich?“. Dass sie aber doch Kunst ist, wird beglaubigt durch diesen Ort. So ein künstlerischer Ort wie die Bar, der den Darbietungen eine Wertigkeit gibt, der für sich schon ein Statement ist, ist wichtig.

Als ich in den Achtzigern anfing, mit meinem ersten Programm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ aufzutreten, bekamen wir Asyl beim Grips-Theater, der Akademie der Künste oder dem Quartier Latin. Das hatte Diaspora-Charakter. Jetzt gibt es die Bar jeder Vernunft, und das ist eine Heimat. Für die, die eine eindimensionale Festlegung scheuen, in der Kunst und übrigens auch beim Thema Gender. Sind nicht Schubladen sowieso meist aus demselben Material wie das Brett vorm Kopf?

Protokolliert von Gunda Bartels.

Zur Startseite