Golden Globes: Wut beim Warmlaufen
Die Golden Globes standen im Zeichen von MeToo und Fatih Akin gewann einen Preis für sein NSU-Drama "Aus dem Nichts".
Der launige Eröffnungsmonolog von Moderator Seth Mayers setzte den Ton für die 75. Verleihung der Golden Globe Awards im Beverly Hilton Hotel in Los Angeles. „An alle männlichen Nominierten, das ist das erste Mal in drei Monaten, dass ihr keine Angst haben müsst, euren Namen zu hören.“ Die Golden-Globes-Zeremonie war die erste offizielle Veranstaltung der amerikanischen Film- und Fernsehbranche seit den Enthüllungen um Harvey Weinstein, die eine ganze Lawine von Anschuldigungen gegen einige mächtige Männer in Unterhaltung, Medien und Politik lostraten. Damit bot die Bühne des Beverly Hilton der Glamourindustrie erstmals die Gelegenheit für eine konzertierte Reaktion auf die Vorwürfe, die die Branche derzeit erschüttern.
Ein Großteil der Gäste kommt in schwarzer Abendgarderobe über den roten Teppich, als Zeichen der Solidarität mit der „Time’s Up“-Kampagne, der sich in den vergangenen Tagen über 300 Frauen – darunter Reese Witherspoon, Meryl Streep, Emma Stone, Natalie Portman und Maggie Gyllenhaal – angeschlossen hatten.
Die Filmbranche sieht sich zunehmend unruhigen Zeiten ausgesetzt, die letzten Verleihungen standen alle im Licht von Polit-Debatten. Doch die Folgen von „MeToo“ und „Time’s Up“ werden Hollywood noch lange beschäftigen. In diesem Jahr verdrängt die Kritik an den männlich dominierten Machtverhältnissen die jüngsten Diskussionen um kulturelle Diversität, womit auch geflissentlich übersehen werden konnte, dass die Globes 2018 wieder sehr weiß sind – zumindest bei den Filmpreisen, das US-Fernsehen sieht wie zuletzt so häufig deutlich diverser aus.
Auf den Umstand, dass die Nominierungen von den anhaltenden Diskussionen um Geschlechterungleichheit weitgehend unbelastet geblieben sind, weist Natalie Portmann in ihrer Rolle als Überbringerin des Golden Globes für die beste Regie hin. Sie kann sich die Bemerkung, dass alle Nominierten männlich sind, nicht verkneifen. Guillermo Del Toro gewinnt die Auszeichnung mit seinem Monstermärchen „The Shape of Water“ gegen Steven Spielberg („Die Verlegerin“), Ridley Scott („Alles Geld der Welt“), Christopher Nolan („Dunkirk“) und Martin McDonagh („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“). Bei den Frauen wiederum setzt sich Allison Janney für ihre Nebenrolle im Eislaufdrama „I, Tonya“ gegen Mary J. Blige, Hong Chaou und Octavia Spencer durch. Auch die Horrorsatire „Get Out“ über den liberalen amerikanischen Rassismus ging in der Kategorie „Beste Komödie“ leer aus. Es macht den Eindruck, dass man in Hollywood nie zwei Debatten gleichzeitig führen kann.
„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ räumte ab
McDonaghs Film ist mit vier Preisen – bestes Drama, Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin, Sam Rockwell als bester Nebendarsteller und bestes Drehbuch – der große Gewinner des Abends. Damit hat „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ auch gute Aussichten, bei der bevorstehenden Oscar-Verleihung im März abzuräumen. Die Golden Globes, die von der Hollywood Foreign Press Association (HFPA), dem Verband der ausländischer Filmjournalisten, vergeben werden, gelten in der Branche als Seismograf für die Oscar-Entscheidungen.
Ein Großteil der Anwesenden hätte den Preis für die beste Hauptdarstellerin in einem Drama schon allein deswegen Meryl Streep für ihre Hauptrolle in Spielbergs „Die Verlegerin“ gegönnt, weil man sich auf eine feurige Rede freute. Streep hatte bei den Golden Globes im vergangenen Jahr einen denkwürdigen Trump-Monolog gehalten. Preisträgerin Frances McDormand vertritt sie allerdings achtbar.
Höhepunkt war der Auftritt von Oprah Winfrey
In ihrer herrlich irrlichternden Ansprache würdigt sie zunächst, dass die HFPA es geschafft habe, eine Präsidentin zu wählen, entschuldigt sich dann mit wenig feierlichen Worten für ihre schlechte Wurfhand beim Baseball und schließt mit einem Dank an die vielen Frauen in Hollywood, die es ihr ermöglicht haben, Teil dieser „tektonischen Verschiebung“ in der Branche zu sein. McDormand vermeidet zwar eine klare politische Positionierung, aber es ist heutzutage ja schon erfrischend genug, zur Abwechslung mal eine wütende weiße Frau reden zu hören. Vermutlich auch ein Test für ihre Dankesrede im März.
Höhepunkt des Abends ist der Auftritt von Oprah Winfrey, die mit dem Cecil B. De Mille Award für ihr Lebenswerk geehrt wurde – 36 Jahre nach Sidney Poitier, wie sie betonte, und als erste schwarze Frau überhaupt. Winfrey, eine der einflussreichsten afroamerikanischen Aktivistinnen in der Unterhaltungsbranche, erinnert in ihrer bewegenden Rede an die Vorbildfunktion schwarzer Künstlerinnen und Künstler – und an Recy Taylor, die einige Tage zu vor im Alter von 98 Jahren gestorben war. Taylor war 1944 von sechs weißen Männern vergewaltigt worden. Die Täter, die nie verurteilt wurden, drohten ihr, sie zu töten, sollte sie über die Tat sprechen. Diese Zeiten, so Winfrey, seien hoffentlich für immer vorbei. Sie danke den „phänomenalen Frauen und Männern“, die es ermöglicht hätten, das bald niemand mehr me too sagen müsse.
Fatih Akins Oscarchancen stehen gut
Die politische Linie der Globes setzt sich auch in der Auszeichnung für den besten fremdsprachigen Film fort, wo sich Fatih Akin mit „Aus dem Nichts“ gegen den Cannes-Gewinner „The Square“ durchsetzt. Akins NSU-Thriller, der Diane Kruger in Cannes bereits eine Auszeichnung als beste Darstellerin einbrachte, gewinnt damit gerade rechtzeitig vor der Oscar-Verleihung an Momentum. Die Chancen stehen nun gut, dass Akin nach Volker Schlöndorff, Caroline Link und Florian Henckel von Donnersmarck der vierte deutsche Regisseur sein könnte, den die Academy mit einem Oscar auszeichnet. 2017 verlor Maren Ade im Zuge von Trumps Einreiseverbot gegen den iranischen Beitrag „The Salesman“. In diesem Jahr könnte die politische Dynamik der US-Filmindustrie nun Akins Film begünstigen. Rassismus ist in den USA weiterhin ein brisantes Thema. Allerdings hinterlassen zumindest die Golden Globes den Eindruck, dass man eher im Ausland fündig wird. Kathryn Bigelows kontroverses Drama „Detroit“ befand sich nicht einmal unter den Nominierten.
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