Fallada-Verfilmung "Jeder stirbt für sich allein": Wir wehren uns
Zwei gegen alle: Vincent Perez' Film „Jeder stirbt für sich allein“ erzählt die Geschichte eines Ehepaares, das Hitler den Krieg erklärt - nach dem Roman von Hans Fallada.
Frankreich 1940. Ein junger Wehrmachtssoldat, fast noch ein Kind, hetzt durch einen Wald. Er läuft um sein Leben. Zwei Schüsse fallen, er stürzt zu Boden. Die Kamera blickt aus der Draufsicht auf den Soldaten. Blut sickert aus seinem Kopf in den Waldboden. In der nächsten Einstellung sind die Baumwipfel zu sehen, die sich plötzlich dramatisch im Wind bauschen. Vielleicht ist das der Moment, in dem die Seele den Körper verlässt. Hans Quangel, der direkt von der Schulbank in die Kaserne eingerückt war, ist der erste, der in Vincent Perez’ Film „Jeder stirbt für sich allein“ sein Leben lassen muss, wie Jagdwild und mutterseelenallein.
Berlin, ein paar Tage später. Die Reichshauptstadt feiert den Sieg im Frankreichfeldzug. Eine Postbotin arbeitet sich mühsam auf ihrem Fahrrad durch jubelnde Mengen. Diese Richtung behalten der der Film und seine Helden bei: dem Strom der Begeisterten entgegen, nicht im Gleichschritt mitmarschierend. Die Postbotin überreicht dem Bewohner einer Mietskaserne einen Feldpostbrief. Otto Quangel überlässt es seiner Frau Anna, den Umschlag zu öffnen. „Ist was mit dem Jungen?“, fragt er. Sie schreit auf: „Verdammter Lügner! Du und dein Führer und euer Krieg!“ Ihr einziges Kind ist „für Volk und Führer gefallen“.
Eine bessere Besetzung als Gleeson lässt sich kaum denken
Schon von Beginn an zeigen sich die Qualitäten des deutsch-französisch-britischen Historienfilms, der auf Hans Falladas Roman ( 1947) beruht. „Jeder stirbt für sich allein“ erreicht in seinen besten Momenten die lakonische Geradlinigkeit eines Thrillers. Anna und Otto Quangel erklären Adolf Hitler den Krieg. Sie führen ihn wie Guerilleros. „Der Führer wird auch deinen Sohn ermorden“, steht auf der ersten Postkarte, die Quangel mit verstellter Handschrift schreibt und mit seiner Frau in einem Treppenhaus ablegt. Es folgen Botschaften wie „Stoppt die Kriegsmaschinerie!“ oder „Freie Presse!“. Auf jede davon steht die Todesstrafe.
Brendan Gleeson und Emma Thompson spielen die beiden ganz gewöhnlichen Berliner, die ihrem Gewissen folgen. Eine bessere Besetzung als der wuchtige Gleeson in der Rolle des schweigsamen, stets verdrießlich blickenden Schreinermeisters lässt sich kaum denken. Er arbeitet in einer Fabrik, die Särge produziert und im Krieg der Nachfrage bald kaum mehr nachkommen kann. Und Thompson als Hausfrau ist von Trauer und Arbeit zermürbt; nur noch einmal – sie tanzt im Wohnzimmer – wird sie fast wieder zum jungen Mädchen, das sie war, als sie Otto kennengelernte.
Bei der Berlinale wurde der Film von der Kritik zerrupft
„Ich schreibe, was ist. Die Leute werden die Karten weitergeben“, sagt Quangel. Er und seine Frau wollen „Sandkörner“ sein, die die Todesmaschinen der Nationalsozialisten stoppen. Man mag das für naiv halten, und natürlich haben sie keine Chance. In Wirklichkeit landen die Karten bei der Gestapo. Kommissar Escherich, von Daniel Brühl mit beachtlichem Schnauzbart verkörpert, wertet sie mit der Akribie eines Profilers aus und steckt für jede gefundene Karte eine Nadel in einen Stadtplan. Am Ende hängen dort 267 Nadeln.
Bei seiner Premiere im Wettbewerb der jüngsten Berlinale war „Jeder stirbt für sich allein“ von der Kritik heftig zerrupft worden. Heimnachteil: Berliner störten sich daran, dass die Außenaufnahmen in Wirklichkeit in Görlitz stattfanden; und dass die Hauptdarsteller Englisch mit angelerntem deutschen Akzent sprachen, klang befremdlich. Die Synchronisation ist hier einmal ein Glücksfall. Zugegeben, es gibt zu viele Nebenfiguren und Nebenhandlungen, Regisseur Pérez will ein Komplettpanorama des NS-Unrechtsstaates zeigen. Aber die Geschichte, die sein Film im Zentrum erzählt, ist ein großer Thriller und ein beeindruckendes Melodram: zwei gegen achtzig Millionen.
In 13 Kinos; OmU: Hackesche Höfe
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