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Der zerstörte Triumphbogen in Palmyra
© dpa

Syriens Kulturerbe: Wir sind alle verantwortlich

Große Teile des syrischen Kulturerbes sind zerstört. In Berlin haben jetzt erstmals verschiedene syrische Gruppierungen darüber gesprochen, wie es weitergehen könnte.

Zwei Tage lang diskutierten im Auswärtigen Amt über 230 syrische und internationale Experten über den Schutz des syrischen Kulturerbes. Während auf politischer Ebene die Gespräche stocken, geht von Berlin – nach dem Eindruck aller Beteiligten – auf diesem Weg ein Zeichen aus. So sagt Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin: „Dass es gelungen ist, alle Parteien an einen Tisch zu bekommen, ist schon der größte Gewinn. Und dass man sich mit den Diskussionen über politische und konfessionelle Grenzen hinwegsetzt, ist keine Selbstverständlichkeit.“

Auch die zusammen mit der Unesco einladende Staatsministerin Maria Böhmer ist zufrieden – trotz des unvorstellbaren Ausmaßes der Zerstörung. „Syrer und Exilsyrer haben miteinander gesprochen und sich verstanden. Ein gemeinsamer Geist der Verantwortung ist entstanden. Als ein syrischer Teilnehmer einen Landsmann fragte, zu welcher Gruppe er gehöre, war die Antwort: zu Syrien. Dieser Geist hat sich durchgesetzt.“

Markus Hilgert hält es überdies für wichtig, die Diskussion auf alle Bereiche der Zivilgesellschaft auszudehnen. Die Konferenz, sagt er, habe gezeigt, dass es viele lokale Initiativen von Menschen gebe, die sich um ihr Kulturerbe sorgten. Daher müsse der Kulturgutschutz besonders dort unterstützt werden. Dazu brauche es eine gute Ausbildung, Geld und Infrastruktur: „Kulturgutschutz geht nur mit dem Faktor Mensch.“ Man müsse bei konkreten Maßnahmen allerdings genau hinsehen, was und wen man unterstütze und wer das betreffende Gebiet kontrolliere. Aber, so Hilgert, wie unterstützt man Gruppen finanziell, die keine NGOs sind? Wobei nicht Geld das Hauptproblem sei, sondern die Benennung der Prioritäten und Personen, die die Pläne umsetzen könnten. Generell geht es für ihn zunächst um Schadensaufnahme und die Sicherung von Ruinen, erst dann um Restaurierung und Wiederaufbau.

Eine Konferenz lange vor der "Stunde Null"

Auch Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst, sieht es als Erfolg, dass diese Konferenz lange vor einer möglichen „Stunde null“ stattfinden konnte: „Sonst reagiert man meist zu spät. Jetzt sprechen wir miteinander, bevor wir überhaupt tätig werden können. Das hat es so noch nie gegeben.“ Es sei positiv, dass verschiedene Parteien miteinander geredet hätten, der Chef der Antikenverwaltung in der befreiten Zone und die syrische Antikenverwaltung DGAM. In den Gebieten gebe es unterschiedliche Strukturen, auch beim Aufbau von Datenbanken.

Man müsse jetzt auch syrische Stiftungen und Stadtverwaltungen einbinden. Bosra brauche Hilfe, aber auch ein Denkmalregister für Aleppo sei dringend notwendig. „Ich habe drei junge Leute aus Aleppo getroffen, die könnten uns helfen – überhaupt sind die jungen Syrer sehr engagiert.“ Wichtig sei, dass die Unesco Druck auf Regierungen ausübe, damit bei den anstehenden Weltbankprojekten Kultur berücksichtigt wird: „Bis jetzt ist die Kultur in den Weltbankbudgets nicht verankert“, sagt Weber.

Die Zerstörung von Welterbe ist ein Kriegsverbrechen und muss verfolgt werden“, so Maria Böhmer. „Gleichzeitig müssen wir die Anstrengungen verstärken, den Handel mit illegalen Kulturgütern einzuschränken und damit die Finanzierung von Terroristen auszutrocknen. Drittens aber müssen wir – wie mit der Berliner Konferenz – die kulturelle Identität der Menschen in Syrien stärken und damit das Fundament für einen territorial einheitlichen Staat Syrien.“ Sie fügt hinzu: „Die syrische Bevölkerung braucht Signale, dass die gemeinsame Kultur identitätsstiftend wirkt. Diese syrische Identität ist auch Voraussetzung für eine politische Lösung. Auch wenn wir nicht wissen, wann wir sie erreichen.“

Die Teilnehmer der Konferenz beschlossen konkrete Maßnahmen für historische Städte, archäologische Stätten, Museen, bewegliche Objekte sowie das immaterielle Kulturerbe, die in den Aktionsplan für Syrien von 2014 aufgenommen werden sollen. Die Welt ist sich einig, das syrische Kulturgut zu schützen – und die Syrer aller Parteien sind es auch. „Vielleicht haben wir ja etwas Historisches in Berlin erlebt“, sagte eine Unesco-Mitarbeiterin. Die Syrer und die Welt würden sich freuen.

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