Hans Ulrich Obrist zur Zukunft der Kunst: "Wir müssen mehr Brücken bauen"
Londons Museen schauen auf ein glänzendes Jahrzehnt zurück. Doch der renommierte Ausstellungsmacher Hans Ulrich Obrist, Chef der Serpentine Gallery, mahnt Veränderungen an.
Londons Museumslandschaft ist im Umbruch begriffen, nicht zuletzt, weil mit der Berufung von Neil MacGregor, dem renommierten Chef des British Museum, zum Gründungsintendanten des Berliner Humboldtforums und mit dem Wechsel von Tate-Modern-Chef Chris Dercon an die Berliner Volksbühne einschneidende personelle Veränderungen anstehen. Mehr, größer, höher - das war lange Zeit die Devise der Londoner Kunst-und Museumswelt. Nun warnt einer der führende Ausstellungsmacher der britischen Hauptstadt, Hans Ulrich Obrist, vor einem „Weiter so“.
„Die Erweiterung bringt immer auch die Gefahr mit sich, dass wir Konzentration verlieren“, sagte Obrist, Jahrgang 1968. Der Schweizer Kurator, Ko-Direktor der Serpentine Gallery für Gegenwartskunst in den Kensington Gardens in London, lehnt sich mit diesem Zitat an den legendären vietnamesischen General Nguyen Giap an, der so die möglichen Nachteile von militärischem Territoriumgewinn beschrieb. Obrist geht es in erster Linie um die dauernde Veränderung bei der Präsentation von Kunst. Obwohl die Kunstausstellung auch weiterhin als parallele Realität relevant bleibe, müssten die Museen über institutionelle Transformation nachdenken.
Obrist: "Es muss mehr Verbindungen zwischen den Generationen geben"
Der Austausch zwischen allen Wissenszweigen und der Generationen übergreifende Dialog sind für ihn Mittel, die „transformatorische Kraft der Kunst“ zu entfalten. „Wichtig ist, dass es mehr Verbindungen gibt zwischen den Häusern und den Generationen. Wir müssen im 21. Jahrhundert mehr Brücken bauen.“ Obrist hatte 2015 zum „Jahr des Transformationsmarathons“ deklariert. In Diskussionen und Aktionen mit Künstlern und Experten aus aller Welt wurden Fragen wie die Neuerfindung von Kunst durch die Verbindung mit anderen Disziplinen - wie Literatur, Anthropologie, Philosophie und Technik - und die Grenzen, Gefahren und Möglichkeiten von Globalisierung und digitaler Kunst erforscht.
Obrist zeigte sich erfreut darüber, dass bei der jüngeren Generation von Künstlern und Schriftstellern eine „deutliche Gravitation zur Poesie“ erkennbar gewesen sei. „Wir haben 2015 bei vielen Künstlern ein deutliches Wiederaufleben des Gesamtkunstwerks erlebt“, sagte er. Zugleich beunruhigen ihn die eingeschränkte Informationsvielfalt durch Suchmaschinen sowie die Kommerzialisierung und Überwachung im Internet-Zeitalter. Es geht ihm auch um einen Protest gegen das Vergessen im Digitalzeitalter, die Gefahr der Nivellierung von Unterschieden und das Aussterben von Sprachen und Handschrift. Als „Rettungsappell“ veröffentlicht er über die soziale Plattform Instagram täglich handschriftliche Notizen von Kunstschaffenden.
Laut Obrist nähern sich Kunst, Literatur und Musik einander an
In London stehen auch bei den renommierten Institutionen der National Gallery und der National Portrait Gallery Direktorenwechsel an. Als eine Konstante bleibt allerdings der frühere Dresdner Museumschef Martin Roth, der das riesige, beim Publikum beliebte Victoria & Albert Museum leitet.
Was die Zukunft der Künste selbst betrifft, bleibt Obrist trotz seiner Bedenken Optimist. Besonders bei jungen Künstlern sieht er zunehmend eine Doppelbegabung von Kunst und Literatur. Bücher, Ausstellungen, Livekonzerte oder Theater spielten parallel zueinander eine wichtige Rolle. Die oft unsichtbaren Mauern zwischen den Bereichen Musikindustrie und Kunstindustrie seien "im digitalen Zeitalter poröser" geworden. Der 1968 in Zürich geborene Obrist gilt als einer der einflussreichsten Menschen in der Kunstwelt. Anfang November erhielt er den Internationalen Folkwang-Preis. dpa/Tsp
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