Kino: "Body" von Małgorzata Szumowska: Wir lassen uns vom Tod das Leben nicht verderben
Gestörte Körper: Małgorzata Szumowskas Kino-Drama „Body“ nimmt Tod und Trauer ernst, amüsiert sich dennoch über die Hilflosigkeit im Umgang damit.
Wie man sich täuschen kann! Durch einen Titel, ein paar Bilder, ein paar Worte. Wenn man meint, einen Film zu kennen, bloß weil man ein paar Kommentare aufgeschnappt, einige Kritiken überflogen hat. Als Małgorzata Szumowskas „Body“ im Februar im Berlinale-Wettbewerb lief, malten sein Plakat (Frau mit starrem Blick hinter der Nickelbrille) und die wenigen Informationen (irgendwas mit Magersucht, Tod und Körpertherapie) in meinem Kopf das Bild eines strengen Problemfilms. Als er dann den Regiepreis gewann, hielt sich das: guter Film, bestimmt, aber wohl eher blutleer.
Dabei hätte mir damals schon das absichtsvoll Starre dieses Frauenblicks auffallen können, das auf den Schalk der Filmemacherin verweist. Und war da nicht die neue Welle des polnischen Kinos, die mit ihrem schwarzen Humor auf Festivals von sich reden macht? „Body“ ist eindeutig die Geschichte einer essgestörten jungen Frau, die unter dem Tod ihrer Mutter leidet, und da sind auch noch ein überforderter Vater und eine halbwegs durchdrehende Therapeutin. Andererseits ist „Body“ von fast irritierender Leichtigkeit. Zwischen Tragik und Komik erfüllt den Film ein makabrer und doch menschenfreundlicher Humor, eine morbide Freude am Leben.
Ein Selbstmörder? Falsche Fährte
Schon die erste Szene führt auf eine falsche Fährte. Da hängt der Körper eines Mannes an einem Baum. Janusz, der Untersuchungsrichter, begutachtet ihn mit seinen Kollegen routiniert, während die Polizei ihn herunterschneidet. Und noch während die Männer sich am Ufer gelangweilt über den Einsatz unterhalten, macht der vermeintliche Tote sich gemächlich auf und davon. Die Reaktionen der anderen werden nicht mehr gezeigt, auch die Kamera bleibt unbewegt, als geschähe so etwas jeden Tag. Was für ein großartiger Kurzfilm! Und dabei fängt „Body“ hier gerade erst an.
Lustig aber ist das eigentlich nicht. „Body“ nimmt Tod und Trauer in der Folge sehr ernst, amüsiert sich allenfalls über unsere Hilflosigkeit im Umgang damit. Mit eigenen und fremden Körpern, mit ihrer Präsenz und ihrer Abwesenheit, mit der Vergänglichkeit. Alle drei Hauptfiguren kreisen um den Tod: Janusz (Janusz Gajos), seine bulimische Tochter Olga (Justyna Suwała) und ihre Therapeutin Anna (Maja Ostaszewska) bilden ein Dreieck um den Verlust herum. Janusz und Anna haben Verletzungen zu ihrem Beruf gemacht; nur genehmigt sich Janusz etwa nach einem Leichenfund gern ein deftiges Essen, während die demonstrativ sensible Anna auf esoterische Weise mit Toten kommuniziert. Und die junge Olga dazwischen erinnert – demonstrativ unglücklich mit weit aufgerissenen Augen, gebeugtem Rücken und hängenden Kopf – eher an einen traurigen Clown.
Gefräßig und appetitlos, gekrümmt und aufrecht
„Body“ buchstabiert alle Bedeutungsebenen seines Titels durch: all diese Körper, gefräßig und appetitlos, gekrümmt und aufrecht, tot und lebendig, männlich und weiblich, und gegen Ende immer häufiger auch schreiend oder tanzend. Nerven tut das nicht, im Gegenteil; es wirkt lustvoll überdeutlich und verspielt, wie der Film überhaupt in seiner Ästhetik die eigene Gemachtheit betont – in den gerahmten Einstellungen, den Spiegelungen und der Arbeit mit wechselnden Farbfiltern. Und dann sind da die sich rätselhaft von selbst öffnenden Türen, die die Grenzen des Körpers durch die Grenzen des Bildes hinterfragen.
Die vorgeführte Künstlichkeit hält den Zuschauer zwar immer ein wenig auf Abstand. Aber vielleicht ist es wie in der Familienaufstellung, die Anna veranstaltet: Erst die Verfremdung macht, dass man besser sieht. Schon tröstlich, dass der Blick auf die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit des Fleisches so komisch sein kann – und zugleich so warmherzig. Wie nah einem so die Figuren rücken, bei aller Distanz.
Bundesplatz, City Kino Wedding, fsk, Hackesche Höfe, Krokodil (alle OmU)
Julia Dettke
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