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Das Nationale Jugendorchester der Niederlande unter Antony Hermus.
© MUTESOUVENIR/KAI BIENERT

Young Euro Classic: Niederlande: Wilde Jagd

Das Nationale Jugendorchester der Niederlande gab beim Festival Young Euro Classic ein draufgängerisches Konzert.

Das ist Musik zum Aufwachen: atemlos, mit markant vorwärtsdrängendem Rhythmen jagt, ja peitscht das Orchester jedem die Botschaft ins Ohr: Das Konzert hat begonnen. „Chase“ heißt das kurze Stück, geschrieben hat es der 34-jährige Joey Roukens in großer Besetzung mit vier Schlagzeugern, vier Hörnern, drei Posaunen.

Ein Auftragswerk des Concertgebouw Orkest und des Amsterdamer Filmmuseums Eye. Komponisten wurden gebeten, jeweils eine Filmszene ihrer Wahl in Musik zu setzen. Das ist, wohlgemerkt, nicht das gleiche wie Filmmusik. Roukens, der auch als Popmusiker aktiv ist, hat sich für eine wilde Jagd aus John Frankenheimers Kriminalfilm „Ronin“ entschieden. Und eröffnet damit diesen Abend von Young Euro Classic, an dem das Nationale Jugendorchester der Niederlande dran ist. Ein Knalleffekt gleich zu Beginn.

Dem ziemlich schnell die Schlaftablette folgt. Brahms, zweites Klavierkonzert, große romantische Tradition. Das spielt sich nicht so weg, da braucht es schon eine Haltung. Wenn Hannes Minnaar eine hat, versteckt er sie gut. Technisch ist er versiert, aber seiner Interpretation fehlt Entscheidendes: Mut, eine Spur expressiver Genialität, auch eine gewissen Rotzfrechheit, die Brahms gut bekommen würde.

Bei Strauss' Rosenkavalier-Suite trumpft das Orchester auf

Alles klingt bei ihm gleich, zwischen den vier Sätzen des monumentalen Werks existieren keine wirklichen Temperamentsunterschiede. Ja, der Solist verschwindet in diesem B-Dur- Konzert häufig im Tutti, das gehört zum kompositorischen Konzept. Das Minnaar aber zu wörtlich nimmt.

Am Orchester liegt’s nicht. Landsmann Antony Hermus, leider nicht mehr Chef der Anhaltischen Philharmonie in Dessau, hat seinen Klangkörper bestens im Griff. Und kann nach der Pause richtig auftrumpfen – mit Strauss’ Rosenkavalier-Suite. Spritzig-frisches Draufgängertum, immer mit einem inneren Lächeln gespielt. Die vielen Facetten des Wiener Walzers, den Strauss in dieser Oper so liebevoll und spielerisch hin- und herwendet, bis daraus ein Strauß charmanter Parodien geworden ist – sie werden vom Orchester fein herausgearbeitet. Völlig andere, ins Dämonische gewendete Walzer dann noch zum Schluss in Ravels „La Valse.“ Musik, die durchs Feuer eines Weltkriegs gegangen ist, vulkanös brodelnd, mit Energie nur so um sich werfend. So, wie die Niederländer den infernalischen Tanz spielen, klingt es fast wie Strawinsky.

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