Premiere am Theater Strahl: Wie umgehen mit Rechten?
Schafft viel Redebedarf: Das Jugendtheater Strahl fragt in dem interaktiven Stück „Das wird man doch mal sagen dürfen!“ nach den Grenzen des Hinnehmbaren.
Es fängt ja meistens harmlos an, vermeintlich jedenfalls. „Mila, alte Polackin“, begrüßt Kappi, Kurzform von Kasper, seine Klassenkameradin. Er findet nichts dabei. Sei schließlich polnisch, ihr Name, komme von Ludmilla. Außerdem gebühre den Polen und ebenso den Ungarn ja auch Respekt, „die lassen sich nicht reinreden“, wohingegen die Deutschen die Einzigen in Europa seien, „die sich überrennen lassen“. Von Geflüchteten, versteht sich. Mila weiß gar nicht, was sie dazu sagen soll. Und so wie ihr geht es vielen, nicht nur jungen Menschen. Deswegen werden Bücher wie „Mit Rechten reden“ zum Bestseller. Im anschwellenden Bocksgesang des Populismus wächst die Verunsicherung bei den Andersdenkenden: Wo soll man die Grenze des Hinnehmbaren ziehen? Und mit welchen Argumenten?
Im Theater Strahl bekommt Mila deshalb Hilfe. Genauer: Die Schauspielerin Lisa Brinckmann tritt aus der Rolle und wendet sich ans Publikum. Das sitzt nach Blöcken aufgeteilt im Jugendzentrum Weiße Rose in Schöneberg. Es gibt den Jungsblock, den Mädelsblock, den Migrationshintergrundblock sowie den Alle- Menschen-Block, mutmaßlich, um der gesellschaftlichen Lagerbildung eine äußere Form zu geben – eine Idee, mit der die Inszenierung allerdings nicht viel anzufangen weiß. Jedenfalls haben alle Zuschauerinnen und Zuschauer eine Karte mit roter „Nein“- und grüner „Ja“-Seite bekommen, mit der sie per Abstimmung Einfluss auf den Fortgang des Geschehens nehmen können. Auch Wortmeldungen sind ausdrücklich erwünscht. Nicht von ungefähr heißt dieses Stück, das vom langjährigen Grips-Schauspieler Christian Giese stammt, „Das wird man doch mal sagen dürfen!“. „Was soll Mila tun?“, will Brinckmann wissen. Gute Frage.
Ein mutiges Konzept
Die Schauspielerin sowie ihre Kollegen Randolph Herbst, Florian Kroop und Max Radestock werden immer wieder ihre Geschichte unterbrechen, die von Milas Zerrissenheit zwischen dem netten Paul und dem rassistischen Kappi handelt und bald eine dramatische Zuspitzung erfährt: Mila wird beinahe vergewaltigt und erst in letzter Sekunde von Kappi gerettet, für den kein Zweifel daran besteht, dass die Täter „Kanaken“ waren. Plötzlich zählt für Mila auch das gutmütige Großmaul Hakan zu „denen“. Und hat nicht ihr Onkel Gerold Recht, wenn er sagt, dass „die Flüchtlinge“ an allem schuld seien? Daran, dass die Mieten steigen und gleichzeitig die Häuser weniger wert sind?
„Das wird man doch mal sagen dürfen!“, zur Premiere gebracht von Regisseurin Anna Vera Kelle, schafft viel Redebedarf. Und das ist gut. Vor allem aber ist die Inszenierung mit ihrem interaktiven Konzept mutig. Denn nicht immer wird in den Vorstellungen ein Publikum sitzen wie jenes am Premierenabend, das sich sehr schnell auf einen liberalen Konsens verständigt. Möglich zum Beispiel, dass der rechtsextreme Rap, mit dem Kappi im Stück eine Party sprengt, unter Jugendlichen auch mal unkritischen Zuspruch erfährt. Damit wird das Ensemble umgehen müssen. Und dann, wenn die Konflikte offen zutage treten, wird es wirklich spannend.
nächste Vorstellungen am 6., 18., 20. und 21. September, weitere im November
Patrick Wildermann
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