Jo Bakers Roman „Ein Ire in Paris“: Wie Samuel Beckett auf den Frieden wartete
Dezentes Porträt eines großen Schriftstellers: Jo Baker zeichnet in „Ein Ire in Paris“ Samuel Becketts Kriegsjahre im besetzten Frankreich nach.
Der deutsche Titel dieses Romans der britischen Autorin Jo Baker ist natürlich knuffiger als der Originaltitel, „A Country Road, A Tree“; er führt aber doch kurz in die Irre: „Ein Ire in Paris“ – wenn das mal nicht James Joyce ist! Doch Baker hat den anderen großen irischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts zur Hauptfigur ihres Romans gemacht, den Literaturnobelpreisträger von 1969, Samuel Beckett. Sie erzählt, wie Beckett, der Paris 1937 zu seiner Wahlheimat gemacht hat und nach seinem Tod dort 1989 auf dem Montparnasse-Friedhof begraben liegt, die Kriegsjahre im besetzten Frankreich zubringt, zumeist an der Seite seiner französischen Freundin und späteren Ehefrau, der Pianistin Suzanne Dechevaux-Dumesnil.
Der Beckett dieser Zeit ist ein zögerlicher, zaudernder, mit sich hadernder Autor. Er hat sich seine Meriten schon verdient, selbst wenn sein 1938 veröffentlichter Roman „Murphy“ von über 40 Verlagen abgelehnt worden ist. Nun aber steckt er in einer veritablen Schaffens- und Sinnkrise, gerade vor dem Hintergrund des aufziehenden Krieges: „Alfred, sein alter Freund und neuer Bruder, fährt zu seinem Regiment; er hingegen kehrt zu seinen Notizbüchern, seinem Schreibtisch, seiner sinnlosen Arbeit zurück, die sich immer nur im Kreis dreht.“
Baker, die durchweg im Präsens erzählt, gelingt die fiktive Einfühlung in ihren Helden gut. Er ist gleichermaßen der Künstler, der sich über das Schreiben, die Dinge und das Vergehen der Zeit seine Gedanken macht – und der sich und seiner Umwelt oft ein Rätsel ist. Und er ist Freund und Geliebter, der in diesen Kriegstagen was tun will, der helfen, seine Freunde nicht im Stich lassen will. So verfolgt Baker ihn durch die Jahre, da er sich der Résistance anschließt, da seine Gruppe auffliegt und er schließlich mit Dechevaux-Dumesnil nach Südfrankreich umsiedelt, um auch hier stets zu schwanken zwischen eigenen kreativen Nöten und dem Bewusstsein, sich gegen die Deutschen engagieren zu müssen.
Auch Joyce und Duchamp tauchen auf
„Ein Ire in Paris“ zielt, anders als ähnliche fiktive Schriftstellerbiografien gerade aus dem angloamerikanischen Raum (etwa über Hemingway, dessen Frauen oder F. Scott Fitzgerald), nicht auf den Glanz und Glamour eines Autorendaseins. Sondern Baker versucht sich an einem dezenten Porträt, an der Zeichnung eines Charakters, der sich nicht zuletzt durch die (Kriegs-)Umstände verändert.
Natürlich tauchen auch Joyce oder Marcel Duchamp hier auf, und doch verlegt sich Baker intensiver auf lange Beschreibungen ihres Helden auf der Flucht oder beim Herumirren in Paris. Dabei bekommt sie das Zeitkolorit fein gepinselt, die historischen Settings schön aufgebaut, bis hin zu dem in Saint-Lô am Ende des Krieges, als Beckett mithilft, ein Krankenhaus zu errichten. Eine Landstraße, ein Baum – dieser Titel hätte die Stimmung dieses ordentlichen Beckett-Porträts wirklich gut erfasst.
Jo Baker: Ein Ire in Paris. Roman. Aus dem Englischen von Sabine Schwenk. Knaus Verlag, München 2018. 348 Seiten, 22 €.