Haarsträubende Action von Mawil: Wie Lucky Luke von einem Berliner Zeichner frisch interpretiert wird
Mawil hat dem Cowboy, der schneller als sein Schatten schießt, eine Hommage gewidmet. Sein Zeichner-Kollege Bela Sobottke zeigt sich angetan.
Der Berliner Comicautor Mawil hat Autobiografisches gezeichnet und lustige Sachen mit Hasen. Und dann kam „Kinderland“: Der Comic über eine Kindheit in der DDR erschien genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. „Kinderland“ gewann einen Max-und-Moritz-Preis, bevor er überhaupt gedruckt war, verkaufte sich wie geschnitten Brot und steigerte Mawils Marktwert in ungeahnte Höhen.
Und das war die beste Voraussetzung, um für den ersten deutschen Lucky-Luke-Band auserkoren zu werden. Schließlich gilt es, zu beweisen, dass ein Deutscher die belgische Ikone nicht nur zeichnen, sondern auch verkaufen kann.
Speerspitze der Schlaucharm-Schule
Mawil ist die Speerspitze der Schlaucharm-Schule. Darunter versteht der Comic-Gelehrte jene Stilrichtung der sequenziellen Bildgeschichte, bei der es nicht so genau genommen wird mit den Gelenken in den Extremitäten und Arme wie Beine gerne als frei bewegliche Schläuche gezeichnet werden. Auch von Perspektiven und Proportionen lässt sich der Schlaucharm-Zeichner nicht ausbremsen.
Wir anderen Zeichner schielen deswegen gerne mal neidisch in Richtung Schlaucharm-Illustration, und der eine oder andere von uns hat es auch schon mal probiert. Dann stellen wir fest, dass das Ganze gar nicht so einfach ist. Man muss den Kontrollverlust nicht nur begrüßen, sondern ihn vollständig verinnerlichen, um ihn dann in den entscheidenden Momenten entfesseln zu können. (Aber dazu später mehr.)
Mawil zeichnet denn auch fröhlich drauflos in seiner Hommage „Lucky Luke sattelt um“: Lucky Luke trifft den Ingenieur Albert Overman, der das moderne Fahrrad erfunden hat und nun auf den Markt bringen will.
Damit ist allerdings der Industrielle Albert Pope nicht einverstanden, der das Monopol auf die bisher üblichen Hochräder hält, und drängt den Konkurrenten an den Rand der Existenz. Overmans letzte Chance ist ein Radrennen in San Francisco, bei dem er die Überlegenheit seiner Konstruktion beweisen will. Aber Popes Schergen trachten ihm nach dem Leben.
Eine vor Gags strotzenden Geschichte
Und so muss Lucky Luke das Fahrrad quer durch die USA sicher nach San Francisco bringen, lässt sein treues Pferd Jolly Jumper zurück und nimmt Platz auf dem Sattel des Drahtesels. Unterwegs muss er sich dem Gangster- (und Liebes-) Paar Smith und Wesson, Indianern vom Stamm der Söhne der Großen Bärin und Büffel-Stampeden erwehren.
Man merkt schon: Das ist geradezu klassisches Lucky-Luke-Material. Historische Fakten, Wild-West-Klischees und eine absurde Queste werden zu einer vor Gags strotzenden Geschichte vermengt.
Die Umsetzung allerdings ist reinster Mawil. Das beginnt schon mit dem Charakter des Konstrukteurs Overman, der eine typische Mawil-Figur ist: klein, mit Nickelbrille und Vokuhila. Auch bei den Zeichnungen macht Mawil keine Zugeständnisse an Meister Morris, sondern bleibt ganz bei sich.
Interessanterweise wirken die hingeworfenen Illustrationen Mawils immer besonders gut in relativ starren Panel-Systemen. Die Doppelseite zwei und drei besteht aus 24 symmetrischen, gleich großen, quadratischen Bildern. Lediglich ein Panel ist um einige Millimeter größer und lenkt den Blick des Betrachters auf sich. Die Panelbreite variiert dann auf den folgenden Seiten, aber die vier Bildzeilen werden als Grundmuster beibehalten.
In besonderen Momenten, wie einer dramatischen Szene in einer Schlucht, ergänzt Mawil dieses System auf äußerst effektive Weise: Da symbolisieren Panelrahmen in V-Form eine sich nach unten verjüngende Schlucht, oder die Panels geraten durch eine Lawine aus dem Lot und in eine schräge Position, die den wilden Ritt Lucky Lukes auf dem Fahrrad noch wilder macht.
Das sind auch die Momente, in denen das Schlauchige der Arme und Beine besonders hervortritt und eine schräge Dynamik erzeugt, die mit naturalistischen Darstellungen so nicht zu machen wäre.
Garant für haarsträubende Action
Das Fahrrad übernimmt in „Lucky Luke sattelt um“ eine ähnliche Funktion wie das Tischtennisspiel in „Kinderland“: Es ist der Motor der Geschichte und Garant für haarsträubende Action. Fahrrad hier wie Tischtennis dort sorgen für die schönsten zeichnerischen und inszenatorischen Höhepunkte. Darauf muss man erst mal kommen. Ich bin schon gespannt, welches Sportgerät Mawil in seinem nächsten Comic einsetzt.
Im PR-Text zu „Lucky Luke sattelt um“ heißt es, dass Mawil die „große Ehre“ widerfahren sei, sich „als erster deutscher Künstler der Comic-Ikone Lucky Luke annehmen zu dürfen“.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Lucky Luke widerfährt die vergnügliche Ehre, mit über 70 Jahren von Mawil frisch interpretiert zu werden. So wie ich unseren alten Lonesome Cowboy kenne, hat er seine helle Freude daran.
Unser Autor Bela Sobottke ist Grafiker und Comiczeichner und lebt in Berlin. Seine Figur Rocco, bekannt aus Comics wie „Keiner killt so schön wie Rocco“, ist Lucky Lukes schmuddeliger Bruder im Geiste.
Lesungen, Musik und eine Sonderausgabe
Zur Premiere von „Lucky Luke sattelt um“ (Egmont Comic Collection, 64 S., 8 € Softcover und 15 € Hardcover), das dieser Tage in den Handel kommt, gibt es am 2. Mai um 19 Uhr eine von Gesa Ufer moderierte Lesung mit Musik, Podiumsgespräch und Signierstunde im „Mein Haus am See“, Brunnenstraße 197, Berlin-Mitte. Weitere Signierstunden unter anderem: 4. Mai, 13-15 Uhr: Grober Unfug, Zossener Straße 33, Kreuzberg. 11. Mai, 12-14 Uhr, Modern Graphics, Kastanienallee 79, Prenzlauer Berg. Mehr unter www.mawil.net/termine2019. Zum Comicfestival München im Juni soll es eine limitierte Luxus-Ausgabe mit Extraseiten für 49 € geben.
Bela Sobottke
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