Deutscher Filmpreis: Wie die Lolas noch besser werden können
Viele deutsche Filme, aber wenig kulturell Aufregendes: Eigentlich sind die Lolas dazu da, mutige Filme zu stärken - mit Fördergeldern. Dummerweise entscheidet die Branche selber über die Preise, per Mehrheitsentscheidung. Ein Kommentar
Letztes Jahr wurden in Deutschland 230 Filme produziert, fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Was für eine Fülle! Aber etliche dieser Produktionen gehen unter, bevor das Publikum sie überhaupt wahrnehmen kann. Und die qualitative Ausbeute, die Ausstrahlung in Cannes, Venedig, bei den Oscars? Fehlanzeige, weitgehend.
Selbst in der Branche klagt man, dass mit den rund 330 Millionen Euro Staatssubventionen viel Mittelmaß finanziert wird. Dass der deutsche Film es kommerziell schwer hat, lässt sich kaum ändern. Trotz "Fack ju Göhte" und Til Schweiger, die Sprachregion ist zu klein, um ohne Förderung auszukommen. Aber dass Deutschland neben kleineren Filmländern wie Dänemark oder Österreich auch kulturell blass aussieht, macht der Kulturstaatsministerin Sorgen. Zu viele reden mit: Dem Nivellierungseffekt durch den Ländertöpfe-Wanderzirkus und den Einfluss der TV-Sender möchte Monika Grütters entgegenwirken und mutige Filme durch gezieltere Förderung stärken.
Exzellenz-Initiative statt Gießkanne, gute Idee. Wobei Grütters das Rad nicht neu erfinden muss. An diesem Freitag werden in Berlin die Lolas verliehen; die vom Bund explizit als kulturelle Förderung ausgewiesenen Filmpreise sind die höchstdotierte Kultur-Exzellenz-Initiative der Nation. Schon für die Nominierung in der Kategorie Bester Spielfilm gibt es 250 000 Euro, die Summe verdoppelt sich bei der Lola in Gold. Länder- und Sender-unabhängiges Geld – kostbares Startkapital für Produktionen, die nicht nach Kasse und Quote schielen müssen.
Über Kunst kann man nicht abstimmen, sondern nur streiten. Das sollte auch für die Filmpreise gelten
Ausgerechnet das künstlerisch Herausragende ist bei den Lolas aber oft nicht dabei, auch diesmal. Dominik Grafs „Geliebte Schwestern“, dieser bestürzend heutige Kostümfilm über die Liebe in Zeiten von Schiller, gedreht vom besten deutschen Regisseur seiner Generation – nicht mal nominiert. Dresen und Petzold ebenfalls nicht. Wenn zu den nominierten Werken neben Sebastian Schippers One-Take-Experiment „Victoria“ oder dem erschütternden Nachkriegs-Panorama „Im Labyrinth des Schweigens“ auch der inhaltlich flache, handwerklich schlampige Hacker-Actionfilm „Who am I?“ gehört, fällt ein weiterer Schatten auf die erlesene Runde.
Man möchte kein gebetsmühlenartig sich wiederholender Spielverderber sein, wenn die Branche sich feiert. Aber ein Missstand wird nicht weniger ärgerlich, bloß weil sich nichts an ihm ändert. Seit die Deutsche Filmakademie, also die Branche selber, über die Preise entscheidet, ist die Lola vom Exzellenz-Förderinstrument zur Konsensschleuder geworden. Und wenn über Kunst abgestimmt wird, kommt eben nicht das größte Wagnis heraus, sondern der kleinste gemeinsame Nenner – zumal die 1600 wahlberechtigten Akademie-Mitglieder unweigerlich befangen sind.
Über Kunst kann man nicht abstimmen, sondern nur streiten. Also sollte bei den hochdotierten Kategorien für den besten Spiel-, Dokumentar- und Kinderfilm wieder eine Jury entscheiden, schon über die Nominierungen. Keine Jury, die sich wie früher aus Lobbyisten zusammensetzt, sondern ein Fachgremium. Die Hälfte beruft die Kulturstaatsministerin: Künstler, Theaterleute, Kulturschaffende, die etwas von Bildern, Darstellung, Wahrnehmung verstehen. Und die andere Hälfte schickt die Filmakademie aus ihren Reihen. Auch Jurys können irren. Aber der mutige Film, die ästhetische Pioniertat oder der rotzfrech-anarchische Kassenschlager haben eher eine Lola-Chance, wenn kluge Leute sich darüber die Köpfe heiß reden. Kunst kommt von extrem, nicht von bequem, auch im Kino.
Alle Filmpreis-Nominierungen 2015 finden Sie hier: www.tagesspiegel.de/kultur.