Deutscher Filmpreis 2015: "Victoria" oder Was fehlt
Die Auswahlkommission der Deutschen Filmakademie hat die Nominierten für den Deutschen Filmpreis bekannt gegeben. Der Berlin-Thriller "Victoria" zählt zu den Favoriten, ärgerlicherweise fehlt Dominik Grafs großartiger Historienfilm "Die geliebten Schwestern".
So viel steht fest: Die Lola-Gala im Berliner Palais am Funkturm am 19. Juni wird von Jan Josef Liefers moderiert. Und mit dem Ehrenpreis wird die Kostümbildnerin Barbara Baum ausgezeichnet, deren Arbeiten gerade in der Fassbinder-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zu bewundern sind.
Der Rest sind Fragen. Das erste, was einem bei den Nominierungen für den 65. Deutschen Filmpreis ins Auge sticht, sind die Filme, die fehlen. Dominik Grafs grandiose Zeitreise in die Gefühlswelt der Schiller-Ära, „Die geliebten Schwestern“, hat es nicht von der Long List auf die Short List für den „Besten Film“ geschafft, ein Ärgernis. Auch vermisst man Andreas Dresens Nachwendedrama „Als wir träumten“, Christian Petzolds Kriegsende-Melodram „Phoenix“ mit Nina Hoss oder Oskar Roehlers wild-wütenden Ritt zurück ins Berlin der 80er Jahre, „Tod den Hippies – Es lebe der Punk“. Womit etliche der kulturell hochkarätigen, unkonventionellen, kontrovers diskutierten Produktionen der Saison von den über 1600 wahlberechtigten Mitgliedern der Deutschen Filmakadademie übergangen wurden. Die 250 000 Euro Filmkulturfördergelder, die allein eine Nominierung in der Königsdisziplin wert ist, bleiben den Machern dieser Filme verwehrt.
Nun hat kein namhafter Autorenfilmer ein Abo auf eine Lola-Nominierung. Aber sind die sechs nominierten Produktionen stärker? Neben Kammerspielen und Soliden Werken wie dem AuschwitzprozessFilm „Im Labyrinth des Schweigens“, dem Straßenkids-Drama „Jack“ oder der klirrend kühlen Kapitalismusfarce „Zeit der Kannibalen“ findet sich immerhin Sebastian Schippers „Victoria“ auf der Liste, Berlin bei Nacht in einer einzigen Einstellung. Nominiert sind auch die Protagonisten des Trips, Laia Costa und Frederick Lau. Mit sieben Nennungen in den 17 Lola-Kategorien gehört Schippers Experimentalthriller (Kinostart xx. Juni) sogar zu den Favoriten.
Nur der Historienfilm „Elser - Er hätte die Welt verändert“ zieht mit ihm gleich, jedenfalls quantitativ; nominiert sind Elser-Darsteller Christian Friedel, Nebendarsteller Burghart Klaußner, Kamerafrau Judith Kaufmann sowie die Verantwortlichen für Schnitt, Szenenbild, Maske, Kostüm. Aber in der Hauptkategorie der Spielfilme taucht Oliver Hirschbiegels Hitler-Attentats-Story nicht auf.
Retrospektives zu historischen Jubiläen, dazu junge Leute von heute, in „Victoria“, im insgesamt sechsfach nominierten Hacker-Film „Who Am I“ und in „Wir sind jung, wir sind stark“. Burhan Qurbanis Film über die ausländerfeindlichen Anschläge in Rostock 1992 bringt es auf drei Nominierungen. Die Lolas 2015, ein seltsam disparater, insgesamt doch schwächelnder Jahrgang