Reaktionen auf neues Kulturschutzgesetz: Werke von Georg Baselitz werden abgehängt
Georg Baselitz holt seine Leihgaben aus deutschen Museen. Es ist ein Statement zu dem umstrittenen Kulturgutschutzgesetz. Auch die Enkelin des Malers Max Beckmann will Leihgaben zurückziehen. Die Kulturstaatsministerin reagiert.
Nach der Kündigung seiner Leihgaben bereiten mehrere deutsche Museen die Rückgabe von Werken des Künstlers Georg Baselitz vor. Im Dresdner Albertinum sollen bereits am Freitag zehn Arbeiten aus der Ausstellung genommen werden, wie eine Sprecherin der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) am Dienstag sagte. In der Münchner Pinakothek und den Kunstsammlungen Chemnitz gibt es noch keine Termine. Gerhard Richter zeigte Verständnis für Baselitz' Reaktion auf das geplante neue Kulturgutschutzgesetz, das einen Eingriff in die Freiheit bedeute. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), deren Entwurf schon vor Veröffentlichung umstritten ist, will sich beim Pressegespräch am morgigen Mittwoch auch kritischen Fragen stellen.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung den Schutz von Kulturgut neu regeln und auch an EU-Recht anpassen. Damit sollen unter anderem die Ausfuhrbeschränkungen verschärft werden. „Niemand hat das Recht mir vorzuschreiben, was ich mit meinen Bildern mache“, sagte Richter der „Dresdner Morgenpost“. Er werde diese nicht irgendeiner Kommission zeigen und fragen, ob er sie verkaufen dürfe. Baselitz' Kommentar kann der teuerste lebende Gegenwartskünstler gut verstehen. „Ich würde es genauso machen wie er: die Bilder aus den Museen holen, schnellstens auf den Markt bringen und verkloppen.“ Richter wartet derzeit noch ab, ob der Gesetzentwurf auch so beschlossen wird.
Nach Baselitz will auch die Enkelin des Malers Max Beckmann (1884-1950) ihre Leihgaben aus deutschen Museen zurückzuziehen. In einem der dpa vorliegenden Brief an Grütters begründet Mayen Beckmann die Entscheidung mit dem geplanten Gesetz zum Schutz von Kulturgütern. Es sehe vor, dass Leihgaben nach fünf Jahren automatisch „Nationales Kulturgut“ würden und damit nicht mehr frei auf dem internationalen Markt verkäuflich seien, heißt es in dem Brief. Um die „Inhaftnahme“ des Familienvermögens zu verhindern, sehe sie sich zur Kündigung der Leihverträge gezwungen, schrieb die Enkelin. Betroffen ist das Museum in Leipzig.
In Dresden wird der Baselitz-Raum aufgelöst
Es gehe nicht um eine massive Beschränkung des Kunsthandels, sondern um die Verantwortung für einzelne herausragende Werke von nationaler Bedeutung, betonte ein Grütters-Sprecher. „Das sind Einzelfälle.“ Auf den seit 1955 bestehenden Listen stünden bisher 1200 Werke und damit deutlich weniger als in anderen Ländern Europas. In Deutschland gebe es auch angesichts der Enteignung von Sammlern in der Geschichte einen sensibleren Umgang mit dem Thema. Und Künstler könnten nach dem neuen Gesetz selbst entscheiden, ob ihre Leihgaben in Sammlungen mit unter Schutz fallen oder nicht.
In Dresden sind die Gemälde und eine Holzskulptur noch bis einschließlich Donnerstag zu sehen, ehe der Baselitz-Raum aufgelöst wird. Dazu gehören mit fünf Porträts auch die ersten auf dem Kopf stehenden Bilder aus den späten 1960er Jahren von dem aus Sachsen stammenden Künstler.
Die Pinakothek der Moderne in München verliert fünf Werke, darunter drei „Helden“-Bilder aus den 1960er Jahren. Wann sie zurückgehen, stehe noch nicht fest, sagte eine Sprecherin. Auch in Chemnitz sind die beiden Baselitz-Leihgaben vorerst weiter zu sehen. „Es gibt noch keinen Abholtermin“, sagte Kunstsammlungs-Direktorin Ingrid Mössinger.
Was genau gilt als "national wertvolles Kulturgut"?
Sie sprach von einer Hiobsbotschaft. Es sei bedrohlich, wenn Sammler über solche Schritte nachdächten und das Beispiel Schule machen sollte. Da Baselitz ihr aber versichert habe, dass sein Ärger nichts mit den Kunstsammlungen zu tun habe, hofft sie wie die Dresdner Kollegen auf die Zukunft. Seine Aktion mache zumindest auf einen Dissens zu dem Gesetz aufmerksam, von dem sie nur Berichte in den Medien kenne. „So, wie es da steht, kann es nicht bleiben“, sagte sie mit Verweis auf eine zunehmende Bürokratisierung.
Der Provenienzforscher Willi A. Korte indes hält die Aufregung um das Gesetz für „überzogen“. Sie solle kaschieren, dass die wahren Bedenken des Kunsthandels wohl vor allem bei der Einfuhr zu sehen seien, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Mehr Sorgfaltspflicht passe dem Kunsthandel nicht. Allerdings könnten Ausfuhrbestimmungen zum Schutz nationalen Kulturguts von staatlicher Seite missbraucht werden, um Restitutionsforderungen zu umgehen. „Die Definition, was national wertvolles Kulturgut ist und was also ausgeführt werden kann zu welchen Bedingungen, das muss in der Tat sauber geregelt werden.“ (dpa)
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