Film über Nazi-Kunstraub: "Die Frau in Gold": Wer klagt, gewinnt
Gustav Klimts berühmtes "Adele"-Gemälde wurde den jüdischen Besitzern von den Nazis weggenommen und vom Staat Österreich lange zurückgehalten. Simon Curtis' Film „Die Frau in Gold“ rekonstruiert einen historischen Skandal.
Sieben Jahre saß Adele Bloch-Bauer Modell, bis eines der berühmtesten Porträts der Kunstgeschichte fertig war: „Adele Bloch-Bauer I“ entstand zwischen 1900 und 1907, in den letzten Jahren der k.u.k.Monarchie, als die Künstler der Wiener Secession, allen voran Gustav Klimt, ihre großen Erfolge feierten. Das Bild, obwohl millionenfach gedruckt auf Postkarten und Postern, Taschen und Tassen, Vasen und Aschenbechern, verblüfft immer noch und umso mehr, je länger man es anschaut – trotz der Mengen kitschverdächtigen Blattgolds, das Klimt für Kleid und Hintergrund seiner Mäzenin verwendete. In den etwas umflorten Blick Adeles, in den bleichen Teint, die feine Äderung der langfingrigen Hände scheint ihr früher Tod bereits eingeschrieben. Trotz aller Pracht ist es ein morbides Porträt. Tatsächlich starb Adele Bloch-Bauer 1925 an Meningitis.
Man mag darin zumindest einen zeithistorischen Trost sehen: So musste sie nicht den Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien miterleben, den ihre österreichisch-katholischen Landsleute mit Vehemenz bejubelten, oder hilflos zusehen, wie ihre Familie zunächst beraubt und dann teils vertrieben, teils ermordet wurde. „Die Frau in Gold“ befasst sich mit der Geschichte dieses Klimt-Bildes, das der österreichische Staat sehr lange als sein Eigentum betrachtete und nur sehr widerwillig seiner rechtmäßigen Eigentümerin, Adele Bloch-Bauers Nichte Maria Altmann, zurückgab. Auch wenn Helen Mirren Maria Altmann darstellt, Ryan Reynolds ihren Anwalt und Daniel Brühl den mutigen Wiener Journalisten Hubertus Czernin – und auch wenn die Geschichte einem typischen David-gegen-Goliath-Plot folgt, wie ihn Hollywood gern erzählt, so ist sie doch wahr. Dass man das manchmal vergisst, weil die Inszenierung von Simon Curtis nicht nur spannend, sondern auch unterhaltsam ist, ist das Schwerwiegendste, das man dem Film vorwerfen kann – und vielleicht auch muss, denn die Geschichte der von den Nationalsozialisten geraubten, erpressten und geplünderten Kunstgegenstände ist noch lange nicht zu Ende. So ist etwa das Diamanten-Collier, das Adele Bloch-Bauer auf dem Porträt trägt und das ihr Mann nach deren Tod seiner Nichte Maria zur Hochzeit schenkte, in den Besitz von Emmy Göring übergegangen, bis heute allerdings nicht wieder aufgetaucht.
Der lange Kampf der Nichte Maria Altmann
Die Nichte, Maria Altmann, hat zusammen mit ihrem Anwalt Randol Schoenberg, einem Enkel des in die USA ausgewanderten Komponisten Arnold Schönberg, für die Rückerstattung ihres Eigentums gekämpft und schließlich – auch das passt zum Hollywood-Film – gegen alle Widerstände gewonnen. Das ist bekannt, und man freut sich über jeden Teilsieg, den das ungleiche Paar erringt. Die Besetzung eines ministerialen Entscheidungsträgers mit Justus von Dohnányi, der immer wieder mal Nazis spielen muss, spielt auf eine nicht zu leugnende Kontinuität an: Denn Marias und Randols Antagonisten, Ministerialbeamte der 1990er Jahre, sind Nachfahren des politischen Establishments, das unmittelbar nach Kriegsende wieder in Amt und Würden eingesetzt wurde. Österreich wurde nicht entnazifiziert, galt es doch als von den Nationalsozialisten erobertes Land.
„Die Frau in Gold“ erzählt auch von der Sehnsucht eines alt gewordenen kleinen Mädchens; es bewunderte seine elegante, kosmopolitische und kinderlose Tante, die Anfang des 20. Jahrhunderts einen Salon in Wien führte, in dem Intellektuelle und Künstler ein- und ausgingen. Dem Film ist allerdings nicht zu entnehmen, dass 1943 eine Klimt-Ausstellung in Wien stattfand, in der die meisten Gemälde aus enteignetem Besitz des jüdischen Großbürgertums stammten. Oder dass die Österreichische Nationalgalerie, in deren Besitz viele Werke übergegangen waren, nach dem Krieg mit den überlebenden, Rückforderungen stellenden Eigentümern in Verhandlungen eintrat. So wurden etwa in den 1980er Jahren in einigen Fällen Gemälde zurückgegeben – sofern die Besitzer sich bereit erklärten, Österreich eines oder zwei als „Schenkung“ zu vermachen. Dadurch wurden die exilierten Juden ein zweites Mal um ihren Besitz gebracht.
Diese und andere skandalöse Tatbestände enthüllt „Stealing Klimt“ (2007), eine als DVD erschienene Dokumentation von Martin Smith und Jane Chablani, die sich als Ergänzung, Vorgeschichte und Kommentar zu „Die Frau in Gold“ ausgezeichnet eignet. Übrigens: Klimts Porträt von Adele Bloch-Bauer hängt seit 2006 in der Neuen Galerie in New York.
In Berlin im Blauer Stern Pankow, Capitol, Cinema Paris, Cinemaxx, FaF, International, Kulturbrauerei, Titania Palast, Yorck; OV: Cinestar SonyCenter, OmU: Delphi, Hackesche Höfe, Passage
Daniela Sannwald
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität