Die Beatles im Comic: Wenn Troubadix das sehen könnte
Fab Four forever: Die Beatles leben in Comics weiter. Kleine Blätterkunde mit Klassikern und Neuerscheinungen.
Kreischkonzerte, Ohnmachtsanfälle, Polizeieinsätze – so sah die Beatlemania der sechziger Jahre aus. Jugendliche Dauererregung traf auf Staunen und Unverständnis bei den Älteren. Längst sind die überdrehten Teenies von damals selbst im Großelternalter. Doch die Beatlemania lebt fort. Natürlich in deutlich gesetzterer Form. Heute spiegelt sich die Begeisterung für die Band aus Liverpool in Musicals und Covershows sowie einem steten Veröffentlichungsstrom von Vinyl-Boxen, Radio-Archivaufnahmen, Fernsehdokumentationen, Briefeditionen.
In der retrobegeisterten Poplandschaft der Gegenwart sind die Beatles das Vorbild-Modell einer Langzeitauswertungslogik, die inzwischen bei jeder halbwegs großen Band der sechziger und siebziger Jahre zu beobachten ist und auch schon auf die Folgegenerationen übergreift. Dass bei den Fab Four auch Comics zur Produktpalette gehören, ist eine Besonderheit, die aber nur auf den ersten Blick erstaunt. Denn parallel zum Aufstieg der Beatles zum ersten globalen Pop-Phänomen explodierte in den Sechzigern auch die Comickultur. Sie wurde vielfältiger, mutiger und erreichte immer mehr Menschen. Die Band und die junge Kunstform waren Teil derselben teenageraffinen Sphäre. Und so begeisterten sich die Zeichner schon früh für die Gruppe. Der erste große Beatles-Comic „The Beatles: Complete Life Stories“ von Joe Sinnott erschien 1964 beim amerikanischen Dell Verlag – kurz nachdem in den USA das Album „Meet The Beatles“ herausgekommen war und die Gruppe durchs Land getourt war.
Seither hatten John, Paul, George und Ringo immer wieder Gastauftritte in Comics. Sie wurden mit Sonderheften gefeiert und in unzähligen Strips zitiert oder parodiert. So gibt es etwa im 1966 veröffentlichten „Asterix bei den Briten“ eine Szene, die den Konzertauftritt einer vierköpfigen Band mit einheitlichen Langhaarfrisuren zeigt. Obwohl sie blond sind, ist klar, dass die Beatles gemeint sind. Vor der Bühne herrscht Hysterie, Asterix hält das für einen Aufstand, bis ein Brite ihm erklärt, dass eine populäre Band für die Aufregung verantwortlich ist. Sie führe sogar die „Bardic Charts“ an. „Wenn das Troubadix sehen könnte!“, sagen die gallischen Gäste.
Die Beatles sind die am häufigsten gezeichnete Popband der Welt
Über 200 Illustrationen, die die Gruppe zeigen, haben Enzo Gentile und Fabio Schiavo für ihr Buch „The Beatles in Comic Strips“ von 2012 zusammengetragen. Die Beatles sind ohne Frage die am häufigsten gezeichnete Popgruppe der Welt. Wozu auch das britische Jugendmagazin „Look-In“ einen Beitrag leistete: Es veröffentlichte Anfang der Achtziger einen fortlaufenden Beatlesstrip des Zeichners Arthur Ranson und des Autors Angus Allan. In gesammelter Form ist er nun unter dem Titel „The Beatles – Die Graphic-Novel-Biografie“ (Boiselle & Ellert, 55 S., 19,90 €) erstmals auf Deutsch erschienen. Eine Ausgrabung, die allerdings in erster Linie wegen der feinen Schwarz-Weiß-Illustrationen des 1939 geborenen Zeichners von Bedeutung ist. Sein Stil wirkt fast fotorealistisch und orientiert sich sichtlich an zeitgenössischen Aufnahmen. Immer wieder gelingen ihm wunderbar komponierte Seiten, auf denen er ausdrucksstarke Porträts mit variablen Panelgrößen und vergrößerten Details kombiniert. Die Gesichter der Musiker trifft er dabei meisterhaft. Inhaltlich fällt das Werk deutlich ab. Die von der ursprünglichen Publikationsform herrührende episodisch-kursorische Erzählweise verhindert, dass die Geschichte einen Sog entwickelt. Auf nur 55 Seiten (darunter vier bislang unveröffentlichte) geben Allan/Ranson bestenfalls eine Einführung in die wichtigsten Fakten der Bandhistorie. An den Standard heutiger Musiker-Graphic-Novels, den etwa Reinhard Kleist mit seiner gezeichneten Johnny-Cash-Biografie gesetzt hat, reicht „The Beatles“ nicht heran.
Wie man einen überzeugenden Novel- Charakter erzielt und zudem der bekannten Beatles-Geschichte noch spannende Seiten abgewinnen kann, hat vor einigen Jahren Arne Bellstorf mit „Baby’s In Black – The Story of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe“ gezeigt. Der Zeichner, der auch schon für den Tagesspiegel gearbeitet hat, schaut durch die Augen der Hamburger Fotografin Astrid Kirchherr auf die Gruppe. Sie verliebt sich in deren damaligen Bassisten Stuart Sutcliffe, der bei ihr in Hamburg bleibt und sich wieder der Malerei zuwendet. Eine packende, in groben Schwarz-Weiß-Zeichnungen erzählte Graphic Novel.
Die Beatles waren für ihren Humor bekannt
Die Perspektive einer Nebenfigur aus der Beatles-Saga einzunehmen, ist ein produktiver Kniff, den in jüngster Zeit auch einige Kollegen von Bellstorf erfolgreich angewendet haben. Die Franzosen Damien Vanders (Zeichnungen) und Gihef (Text) stellen in „Liverfool“ (Edition 52, 116 Seiten, 18 €) Clubbesitzer Allan Williams in den Mittelpunkt. Er war der erste Manager der Gruppe und organisierte unter anderem ihre frühen Engagements in Hamburg. Gihef und Vanders zeigen den Ex-Klempner Williams als sympathisches Improvisationstalent, das sich dummerweise bald mit der Band verkracht. Besser machte es sein Nachfolger Brian Epstein. In „Liverfool“ hat er bereits einen kleinen Auftritt: Er erklärt Williams, dass er die Band managen will, woraufhin dieser ihn eindringlich vor der Gruppe warnt – eine Szene die es in ähnlicher Form auch schon bei Allan/Ranson in „The Beatles“ gibt.
"Der fünfte Beatle": Manager Brian Epstein im Zentrum
Ganz ohne Allan Williams kommt hingegen „Der fünfte Beatle – Die Brian Epstein Story“ (Panini, 168 Seiten, 24,99 €) aus, die Vivek J. Tiwary mit den Zeichnern Andrew C. Robinson und Kyle Baker 2013 auf Englisch und in diesem Jahr auf Deutsch veröffentlicht haben. Hier rücken die Beatles teilweise recht weit in den Hintergrund, was aber nicht weiter stört. Denn zu sehen, wie der stets in Maßanzüge gekleidete, dynamische Epstein an seiner Vision arbeitet, die Gruppe „größer als Elvis“ zu machen, ist faszinierend genug. Wie er etwa auf Plattenfirmensuche geht und dabei Flashbacks in seine Militärzeit hat, wie er den legendären Auftritt in der Ed-Sullivan-Show einfädelt oder ein extrem gruseliges Abendessen mit dem Manager von Elvis erlebt.
Brian Epstein war schwul, was Tiwary zu einem zentralen Motiv macht, genau wie seine von Ärzten geförderte Tablettensucht. So entsteht in diesem mit hohem zeichnerischem Aufwand produzierten, knallbunt kolorierten Band das Porträt einer schillernden, aber auch sehr einsamen Persönlichkeit. Selbst die Beatles scheinen diesen Mann, der sie zum Ruhm geführt hat, eigentlich gar nicht richtig gekannt zu haben. In „Der fünfte Beatle“ sind sie ein zappelig-pubertäres Trüppchen, das sich meistens im Scherzmodus befindet.
Die Großmäuligkeit und der Humor der Beatles waren legendär. Auch das machte sie für die Comicwelt so attraktiv. Wer selbst schon Witz mitbringt, ist ein ideales Motiv – deutlich besser geeignet etwa als etwa die finsteren bis aufgeblasenen Rolling Stones. Das Comic-Potenzial der Beatles zeigte sich auch in ihren bekanntesten gezeichneten Wiedergängern, den bunten Schlaghosenträgern aus George Dunnings Film „Yellow Submarine“ von 1968. Der abstruse Humor und die psychedelisch-hippieesken Bildwelten dieses Zeichentrickabenteuers, das auch in gedruckter Form erschien, passte perfekt zu den Schöpfern des surrealistischen Sgt. Peppers Lonley Heart Clubs – und machte sie endgültig zu einem perfekten Popprodukt. Ihr eigene Beteiligung war, abgesehen von den Soundtrack-Songs, kaum noch erforderlich. Sie sprachen nicht mal die Synchronstimmen für ihre Figuren.
Die Beatles sind zu einem unsterblichen Selbstläufer geworden. Und selbst wenn es keine neue Musik von den größten Söhnen Liverpools mehr geben wird: Im Comic können sie immer wieder Reunion feiern.