Gershwins "Crazy For You" in Sachsen-Anhalt: Wenn es Nacht wird in Magdeburg
Steppen an der Elbe: In der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt wird das Gershwin-Musical „Crazy for you“ gespielt. Für solche Produktionen muss man das Stadttheater lieben.
Es ist Samstag, 18.45 Uhr. Auf dem Breiten Weg in Magdeburg ist kein Mensch zu sehen. Die allermeisten Geschäfte haben schon geschlossen, funzelig glimmen die Energiesparlampen der Laternen. Die Stadt liegt wie ausgestorben. Die ganze Stadt? Nein, im Theater brennt noch Licht: George Gershwins „Crazy for you“ hat Premiere. Heute Abend liegt der Broadway an der Elbe, ein Hauch von 42nd-Street-Feeling weht durch Sachsen-Anhalt.
Für solche Produktionen muss man das deutsche Stadttheater einfach lieben. Eine Show, die eigentlich so aufwendig ist, dass sie sich nur als long run musical rentiert, mit acht Vorstellungen pro Woche, eine solche Show wird in Magdeburg jetzt fast ausschließlich aus Bordmitteln gestemmt. Sprich: mit dem eigenen Ensemble des Drei-Sparten-Hauses.
Alle machen mit, das klassisch ausgebildete Ballett hat extra Steppen gelernt – und singt in den Massenszenen auch noch mit. Die Choristen übernehmen die Neben-, die fest angestellten Opernsänger die Hauptrollen. Lediglich für das leading couple wurden zwei Musicalprofis gastweise engagiert: den ebenso charmanten wie fußflinken Dirk Weiler als Bobby, sowie Bettina Mönch, eine Polly mit viel Sonne in der Stimme.
Besser als "Das Phantom der Oper"?
Eigentlich ist das Stück ja nur ein halb echter Gershwin: 1990 erhielt der „Othello darf nicht platzen“-Autor Ken Ludwig den Auftrag, sich eine neue Story für das 1930 herausgekommene Musical „Girl crazy“ auszudenken. Um die Musiknummern herum schrieb er eine turbulente Boulevardkomödie, die im Uraufführungsjahr des Originals spielt und die Geschichte des tanzbegeisterten Bankierssohns Bobby Child erzählt, der sich in den Kopf setzt, in einer Goldgräberstadt in Nevada ein altes Theater wiederzubeleben – und zwar mit Hilfe der Showgirls des Tingeltangel-Impresarios Bela Zangler.
Bei der New Yorker Premiere 1992 wurde die Produktion als Sieg der amerikanischen Entertainmenttradition über die Vorherrschaft des Andrew Lloyd Webber gefeiert, als Beweis, dass die einst aus dem Geiste Offenbachs entstandene musical comedy eben doch mehr Spaß macht als das pathetisch-sentimentale musical drama à la „Phantom der Oper“.
Im Sommer 1994 holte Wolfgang Bocksch eine Tourneeproduktion der Show ins frisch frei gewordene Berliner Schiller Theater. Und nun also Magdeburg: Drei äußerst kurzweilige Stunden dauert das Stück hier, denn der 27 Jahre junge Regisseur Erik Petersen nimmt sich viel Zeit für altmodischen Slapstick. Schlüpfrige Witzchen braucht er dabei nicht, seine Gags haben durchweg gehobenes Comedy-Niveau. Allein die Szene, in der sich Bela Zangler und der als Zangler verkleidete Bobby spiegelbildlich betrinken, ist einen Abstecher nach Sachsen-Anhalt wert.
Mit Herzblut - und mit Selbstironie
Überhaupt ist hier alles wunderbar old school: Gesungen wird auf deutsch, die Kulissen werden sichtbar von Bühnenarbeitern per Hand verschoben, die Kostüme karikieren liebevoll die Mode der roaring twenties. Schmissig dirigiert Hermann Dukek Evergreens wie „I got rhythm“ und „Embraceable you“ – und wenn szenisch mal etwas nicht ganz perfekt klappt, so wirkt es doch immer charmant. Weil die Darsteller mit Herzblut bei der Sache sind und mit Selbstironie.
Viel Zeit, ihren Erfolg zu genießen, hat die Magdeburger Truppe freilich nicht. Denn im Stadttheater gibt es nun einmal keinen Repertoirealltag: 31 Premieren bringen die 444 Mitarbeiter in dieser Saison heraus. Allein im Musiktheater stehen in den kommenden sieben Wochen zwei deutsche Erstaufführungen an, „Die Braut von Messina“ nach Schiller, 1883 in romantische Klangsprache gefasst vom Tschechen Zdenek Fibich, sowie das neueste Stück des Minimal-Music-Meisters Philip Glass, „Der Prozess“, frei nach Franz Kafka.
„Crazy for you“ wird am 21./28. 2., 15./21. 3. sowie im April und Mai gespielt. Weitere Infos hier.
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