Claus Peymann zum 80.: Wenn der König geht
Claus Peymann war 18 Jahre Leiter des Berliner Ensembles. Das Theater hat sich in dieser Zeit verändert, er hielt an seinem Stil fest. Heute wird er 80 Jahre alt. Eine Gratulation.
Der Mann ist richtig berühmt. Wenn von ihm die Rede ist, weiß jeder: Theater! Und zwar im doppelten Sinn des Wortes. Claus Peymann ist Theaterdirektor, und er macht Theater. Schimpft leidenschaftlich gern auf Politiker, Kollegen, Kritiker. Im Grunde taugen die alle nichts, weil sie zu jung sind, Peymanns Größe zu erkennen. Weil sie kaputtmachen, was die Peymänner aufgebaut haben. Altersmilde gibt es bei ihm nur in Spurenelementen.
In Bremen geboren, in Hamburg aufgewachsen – ein norddeutscher Dickschädel also. Sein wahres Temperament aber findet er dann bei den österreichischen Sprachartisten. Peter Handkes Stücke bringt er in den sechziger Jahren zur Uraufführung, darunter naturgemäß die „Publikumsbeschimpfung“. Und schon bald darauf schießt er sich auf Thomas Bernhard ein – und der auf ihn.
Peymann und Bernhard sind wie Faust und Mephisto
Der Dramatiker und sein Regisseur gehörten zusammen wie Faust und Mephisto; zwei Seiten einer Persönlichkeit. Aber sie hätten nichts erreicht ohne die Schauspieler. Ohne Gert Voss, Ilse Ritter, Kirsten Dene, Traugott Buhre, Bernhard Minetti. Sie bildeten einen teuflisch virtuosen Zirkel von Weltverbesserern und Weltverächtern. Die hohe Kunst der Schmähung, der sprachmusikalischen Suada, der ansteigenden Übellaune – das kommt einem heute wie ein Luxus vor. Inzwischen ist die Welt so schlecht, wie sich die Herren das damals vorgestellt haben.
Als vor gut zwanzig Jahren die Entscheidung fiel, dass Claus Peymann vom Burgtheater nach Berlin wechselt, ans BE, waren alle begeistert. Der würde hier einen schönen Wirbel machen, nach den großartigen Jahren in Stuttgart und Bochum und Wien. Als Dauergast beim Theatertreffen war Peymanns Theater dem West-Berliner Publikum jedenfalls bestens bekannt. Prima Skandale, höchste Theaterkunst würde er in die Hauptstadt bringen!
Seine Pressestelle verkündete fast täglich Rekorde
Es ist ein wenig anders gekommen. Peymann hat das Berliner Ensemble mit soliden Inszenierungen gefüllt. Auch kaufmännisch, soweit sich das von außen beurteilen lässt. Immer gute Zuschauerzahlen, ja Rekorde hat Claus Peymanns Pressestelle verkündet, fast täglich. Aber bis auf einige Gefechte mit Rolf Hochhuth, der durch seine Stiftung Eigentümer der Theaterimmobilie ist, gab es wenig Actionunterhaltung. Auch wenn er immer wieder versucht hat, wie Zeus vom Olymp herab Blitze zu schleudern. Verdammt noch mal, aber ein Frank Castorf, ein Herbert Fritsch, ein Oliver Reese, sein Nachfolger am BE, wollen sich einfach nicht beleidigen lassen.
Das Berliner Klima ist halt anders als der Wiener Schmäh. Und hier gibt es Konkurrenz, nicht nur das führende Haus am Ort. Volksbühne und Schaubühne und manchmal auch das Deutsche Theater trumpften stärker auf als das BE, wo es dafür wunderbare Inszenierungen von Robert Wilson gab. Das hat Peymann möglich gemacht. Wie gern hätte er Leander Haußmann als neuen Direktor am BE gesehen. Das wollte der Senat nicht.
Sein Abschied vom BE markiert eine historische Zäsur
An diesem Mittwoch feiert Claus Peymann seinen 80. Geburtstag, und er geht. Waren das jetzt wirklich schon wieder 18 Jahre? Wie viele auch jüngere Theaterkünstler sind in dieser Zeit gestorben, wie hat sich das Theater verändert! Peymann hält fest an seinem Stil. Sein Abschied vom BE markiert eine historische Zäsur. Zwei dicke Bücher, erschienen im Alexander Verlag, dokumentieren das Vermächtnis. „Das schönste Theater. Berliner Ensemble 1999–2017. Direktion Claus Peymann“ und „Claus Peymann: Mord und Totschlag. Theater/Leben“.
Shakespeare hat er immer gern und gut inszeniert. Demnächst „Lear“, in Stuttgart. Der König dankt ab. Das ist Claus Peymann ganz bestimmt: ein Monarch. Ad multos annos!
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