Nachruf: Traugott Buhre: Wie schwerelos
Er war in all seiner meist leisen Monumentalität einer der letzten wahren Tragöden. Aber auch das mit dem Talent zum unheimlich Komischen: Zum Tod des Schauspielers Traugott Buhre.
Er war ein gebürtiger Ostpreuße. Mit einem massigen Rundschädel, etwas knollennäßig, doch nicht von jener knubbeligen Gemütlichkeit einer Loriotfigur. Der Schauspieler Traugott Buhre war ein Typ, wie es ihn heute kaum noch gibt, fast urviechhaft, ein Dino des alten Theaters der so genannten „schweren Männer“. Aber einer, der in seiner dicken Haut ganz nervenzart und schwebend werden konnte – und daher gar nicht an irgendeinem alten, dröhnenden, charakterfachlichen Schubladentheater hing. Der Kritiker Georg Hensel nannte ihn einst ein „empfindsames Ungeheuer“.
Tatsächlich wusste Buhre mit seiner Schlachter-Visage (oder dem Kopf eines massigen Barlach-Engels) jederzeit zu täuschen, zu überraschen und sich in einen fein Besaiteten zu verwandeln. Spätestens mit einer mörderischen Schwitzkastenrolle in der deutschen Erstaufführung von John Hopkins’ Polizeiverhörstück „Diese Geschichte von ihnen“ begann vor 40 Jahren seine überregionale Karriere. In Peter Palitzschs Stuttgarter Inszenierung, die auch als Fernsehspiel übernommen wurde, spielte Buhre ganz unheimlich einen Kinderschänderjäger, der im Folterverhör am Ende den Falschen erledigte.
Zehn Jahre später, 1979, war er in der Uraufführung von Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“ ein gespenstischer Altnazi und nunmehriger bundesrepublikanischer Richter. Claus Peymann hatte seine Stuttgarter Inszenierung dann zwei Jahrzehnte drauf nochmal am Berliner BE nachgestellt. Und wieder erschien Buhre auch im gealterten Stück wie alterslos. Nämlich tödlich vital.
Der Pfarrersohn mit dem Namen Traugott war in all seiner meist leisen Monumentalität auch einer der letzten wahren Tragöden. Aber auch das mit dem Talent zum unheimlich Komischen. Das prädestinierte ihn für die abgründigen Lachnummern in Thomas Bernhards Komödien.
So war er einer der Protagonisten in Peymanns Stuttgarter, Bochumer, Wiener Ensemble: in Bernhards „Immanuel Kant“, „Der Schein trügt“ und vor allem als wunderbarer Schmierendirektor Bruscon im „Theatermacher“. Einen Wirtshaussaal in Butzbach machte er zur universellen Szene, auf dass alle Welt Butzbach, Bruscon und Buhrebühne wurde.
Den poetischen Geist im wuchtigen Kerl erkannte man, als er Anfang der 80er bei Peymann in Bochum Lessings Nathan spielte und die angesagte Weisheit in eine unausgesprochene, körpereigene Lebensklugheit verwandelte. Und dann am Wiener Burgtheater die, wie man dachte, endlich kongeniale Begegnung mit Kleists beelzebübisch tragikomischen Dorfrichter Adam. Es wurde eine fünfstündige Qual, von Andrea Breths Regie gedanklich überfrachtet. Von Buhre aber gnadenlos bis zur völligen Nacktheit verkörpert. Jetzt wollte er den „Zerbrochnen Krug“ mit Andrea Breth nochmals versuchen, bei der Ruhrtriennale. Doch am Wochenende ist Traugott Buhre im Alter von 80 Jahren gestorben.
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