"Zeit der Kannibalen" von Johannes Naber: Wenn Alphatiere Amok laufen
Und vorher plündern sie die Minibar: In der bitterbösen Kapitalismus-Farce „Zeit der Kannibalen“ brillieren Katharina Schüttler, Sebastian Blomberg und Devid Striesow.
Niederländer kann im Dunkeln Koffer packen, auf Zeit. Was war noch dein Rekord, fragt Oellers, 34 Sekunden Taschkent? 34,4, Dschersinsk, kontert Niederländer, der im Übrigen findet, dass Hotelzimmer der gehobenen Klasse überall gleich auszusehen haben. Und wehe, auch nur ein Moskito schwirrt da herum. Niederländer, drahtig, superfit, fürchtet dann gleich den Malariatod.
Niederländer, Oellers und Bianca März sind Unternehmensberater der ausgebufftesten Sorte. In Indien, in Nigeria, egal, halt in irgendeiner Drecksmetropole in irgendeinem Elendsland. Hauptsache, sie machen für die Kundschaft ihrer Company die Deals klar, zwecks Ausbeutung weiterer Entwicklungsländer, Profitmaximierung und der eigenen Karriere. Niederländer, Oellers und Bianca (die Jungs nennen sich immer nur mit Nachnamen, so ist das bei Consulting-Profis), das sind Sebastian Blomberg, Devid Striesow und Katharina Schüttler in einem KapitalismusKammerspiel über drei Alphatiere, die ihrer eigenen entfremdeten Existenz mit routiniertem Sarkasmus begegnen.
Ach ja, die kalte Welt des Geldes, man kennt das seit Oliver Stones „Wall Street“-Filmen. Der Berliner Regisseur Johannes Naber versucht es minimalistisch: „Zeit der Kannibalen“ ist komplett in Hotelzimmern (sprich: im Studio) gedreht. Mit kurzen Schwarzblenden und lakonischem Elektro-Soundtrack rhythmisiert, bedient er zunächst Stereotypen. Mehr als miese fiese, zynisch-rassistische Businessclass-Vielflieger brauchen die großartigen Schauspieler nicht zu verkörpern. Devid Striesows Aberwitz, Blombergs Vielseitigkeit, die auf dem Berliner Theatertreffen in Gottscheffs „Zement“-Inszenierung zu bewundern war – Fehlanzeige. Nur Katharina Schüttler darf ihrer Figur der ehrgeizigen Newcomerin Abgründigkeit verleihen. Bianca redet über Menschenrechte, hegt soziale Skrupel – und gibt keine Sekunde lang preis, ob sich ihr NGO-Jargon aus besonders perfidem Kalkül speist oder doch aus so etwas wie allerletzter Restmoral.
Johannes Naber hatte 2010 für seinen Film "Der Albaner" in Saarbrücken den Max-Ophüls-Preis gewonnen. Immerhin spitzt er „Zeit der Kannibalen“ zu einer bitterbösen Farce zu, mit geschliffenen Dialogen des Hörspiel- und Fernsehautors Stefan Weigl. Gerüchte über Aufstiegschancen oder wahlweise die Pleite der Firma lösen einen aggressiv-hinterhältigen Machtkampf zwischen den dreien aus. Auch dringen immer mehr Wirklichkeitspartikel in die sterile Roomservice-Welt ein: besagte Stechmücke, die Nachricht vom Selbstmord eines Kollegen in der Company-Zentrale, Ehekrach per Telefon (Oellers steht auch als Familienvater unter Druck), betrügerische Teilhaber-Verträge per Fax – und draußen auf den Straßen von Lagos eskaliert der Bürgerkrieg.
Spätestens als Schüsse in der Hotellobby fallen, mutieren die Consulting-Profis zu Jammerlappen. Drei Opfer der eigenen Coolness. Panik pur, Pardon wird nicht gegeben. „Zeit der Kannibalen“ ist klug genug, seinen Helden bis zum dramatischen Schluss jedes Mitleid zu verweigern.
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