Schachthriller mit Tobey Maguire: Welt in Schwarz und Weiß
Regisseur Edward Zwick macht mit seinem Film „Bauernopfer“ das Schachduell zwischen Bobby Fischer und Boris Spassky zu einem Thriller.
Die Schlachten des Kalten Krieges wurden nicht nur auf Kuba, in Vietnam oder im Weltraum ausgefochten, sondern auch im Sport. Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften setzten gut trainierte sowjetische Sportkader alles daran, die Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren. Besonders auf dem Schachbrett machten die russischen Spieler ihre Hegemonialansprüche geltend – bis 1972 der amerikanische Schachspieler Bobby Fischer in einem mehrtägigen Turnier den damaligen sowjetischen Weltmeister Boris Spassky besiegte.
Diva macht Drama
Die Begegnung wurde weltweit im Fernsehen ausgestrahlt und zählt bis heute zu den spannendsten Partien der Schachgeschichte. Nicht nur, weil hier die Repräsentanten zweier feindlich gesonnener Systeme gegeneinander antraten, sondern auch, weil Fischer sich als echte Diva aufführte. Zeitweilig musste die Partie ohne Publikum in einem Tischtennisraum ausgetragen werden.
Edward Zwicks Film „Bauernopfer“ beginnt mit einer Szene, in der Fischer, verkörpert von Tobey Maguire, auf dem Höhepunkt seiner Karriere kollabiert. Gejagt von Paranoia nimmt er sein Hotelzimmer auf der Suche nach russischen Abhörgeräten auseinander. Zum Spiel geht er nicht. Dann spult das Drama in bester Biopic-Manier zurück in die Kindheit des Protagonisten und verfolgt dessen unaufhaltsamen Aufstieg.
Die Mutter, als jüdische Emigrantin nach Amerika gekommen, wird wegen ihrer kommunistischen Überzeugungen vom FBI überwacht. Vor Angst und Bedrohung flüchtet sich der Junge ins Schachspiel, besiegt schon mit sechs Jahren lokale Meister und erreicht mit zwölf Weltklasseniveau. Alles, was ihn von der Fokussierung auf seine Leidenschaft ablenken könnte, wird gewaltsam ausgeblendet. Dazu gehört auch die Mutter mit ihrem wechselhaften Liebesleben, die vom jugendlichen Sohn aus der eigenen Wohnung geworfen wird.
Sieg am Abgrund
Bobby Fischer mutiert zum Antikommunisten, sein größtes Ziel ist es, „die Russen“ zu besiegen. Bei der Schacholympiade von Curaçao scheitert er allerdings 1962 an ihren Mannschaftsstrategien. Aber dann klopft Paul Marshall (Michael Stuhlbarg) an Fischers Tür, ein Musikmanager mit patriotischer Gesinnung und finanziellen Ressourcen dubioser Herkunft, und nimmt dessen Karriere in die Hand. Doch je näher Fischer seinem Traum vom Weltmeistertitel kommt, desto stärker werden seine Wahnvorstellungen und Versagensängste. In der Partie gegen Spassky droht er zusammenzubrechen – und gewinnt.
Trotz einer etwas konventionellen Erzählweise und der unvermeidlichen Klammerdramaturgie gelingt es Edward Zwick und seinem Drehbuchautor Stephen Knight, das wenig cinegene Sujet des Schachsports in einen spannenden Thriller zu verwandeln. Tobey Maguire zeigt Fischer als enigmatische Persönlichkeit, die von Wahn und Ängsten angetrieben wird, und emanzipiert sich endgültig von seinem gutmütigen Peter-Parker-Image. Den Irrsinn des Hochbegabten spielt er mit kühler Präzision, ohne in das Overacting zu verfallen, mit dem schlechtere Darsteller Borderline-Figuren verkörpern.
Paranoia als Zeitgeist
Fischer – so lautet die These von „Bauernopfer“ – war eine Ausnahmegestalt und gleichzeitig das Kind seiner Zeit. In seinem psychischen Zustand spiegelt sich die paranoide Grundstimmung des Kalten Krieges. Bipolar ist das ganze Land, die ganze Ost-West-Welt, geprägt vom Freund-Feind-Denken. Als wortkarger Widersacher Boris Spassky überzeugt erneut der fabelhafte Liev Schreiber, der kürzlich erst in „Spotlight“ glänzte. Ihn möchte man endlich einmal wieder in einer Hauptrolle sehen.
In elf Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony Center
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