zum Hauptinhalt
Hier wird gemauert. Der Rowohlt Verlag in Reinebk
© Jens Gressing/dpa

Krise bei Rowohlt: Was heißt hier Erfolg?

Alle reden über die Turbulenzen beim Rowohlt Verlag. Nur die Protagonisten schweigen.

Die Verleihung des Deutschen Buchpreises am Montagabend vor dem Auftakt der Frankfurter Buchmesse konnte den Verantwortlichen der Holtzbrinck Buchverlage, namentlich ihrem CEO Jörg Pfuhl, nicht wirklich gefallen haben. Mit Inger-Maria Mahlke hat zwar eine Autorin des zum Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern gehörenden Rowohlt Verlags die Auszeichnung gewonnen, für ihren Teneriffa-Roman „Archipel“. Ordentlich Geld wird „Archipel“ jetzt auch einspielen, noch jeder Roman, der mit dem Buchpreis ausgezeichnet wurde, hat sich zu einem veritablen Bestseller entwickelt.

Doch obwohl Inger-Maria Mahlke keine Rede vorbereitet hatte und eigentlich nicht viel sagen wollte, formulierte sie einen Dank ganz ausdrücklich: den an ihre Verlegerin Barbara Laugwitz, die Ende August von der Holtzbrinck-Führung entlassen worden war und zum 1. Januar 2019 von Florian Illies als neuem verlegerischen Rowohlt-Geschäftsführer abgelöst wird.

Mahlkes Lob für Laugwitz’ Arbeit ließ sich ja noch an – Wechsel an den Spitzen von Verlagen gibt es nun mal, nicht so willkommene, überraschende wie dieser, dem Alter von Verlegern geschuldete Abschiede wie der von Michael Krüger bei Hanser oder demnächst von Helge Malchow bei Kiepenheuer & Witsch. Nur erscheinen die Wirren, in denen Rowohlt derzeit steckt, mit dem Deutschen Buchpreis für Mahlke und deren auf prominenter Bühne vorgetragener Solidarität mit Laugwitz noch einmal wie unter einem Vergrößerungsglas. Der Verlag steht nicht im besten Licht da und mit ihm eine Branche, die in der Krise zu Aktionismus neigt und zu Personalwechseln in den Führungsetagen. Und Ruhe kehrt so schnell nicht ein: Anfang der Woche hat nun auch Jürgen Welte bei Rowohlt gekündigt, der Geschäftsführer der Vertrieb- und Marketing-Abteilung, zum Sommer 2019.

Seit der Verkündung der Illies-Inthronisation wird gerätselt, was die Holtzbrinck-Oberen zum Verlegerwechsel veranlasst haben mag. Viele Rowohlt-Autoren und -Autorinnen waren überrascht worden und unterzeichneten Offene Briefe für die geschasste Verlegerin, obwohl es sich bei Schriftstellern eigentlich um eine durchaus egoistische Spezies handelt. Daniel Kehlmann bedankte sich bei der Verleihung des Frank-Schirrmacher-Preises ebenfalls „ausdrücklich“ bei Laugwitz „für vier Jahre der souveränen und tatkräftigen Arbeit“, auch im Namen von Kollegen wie Martin Walser, Ildiko von Kürthy, Jonathan Franzen oder Eckart von Hirschhausen. Und er fügte hinzu: „Und dieser simple Satz ist leider schon mehr Dank, als die Holtzbrinck-Führung für ihre erfolgreichste Verlegerin erübrigen konnte.“

Unterschiedliche Auffassungen

Das stimmt nicht ganz, Jörg Pfuhl dankte Laugwitz bei der Verkündung des Wechsels durchaus für ihr „unermüdliches Engagement“, sie habe „in einem schwierigen Markt immer wieder große Erfolge bei Rowohlt verwirklicht“. Aber er schrieb auch: „Unterschiedliche Vorstellungen über den weiteren Weg haben uns am Ende zu dem Schritt einer Veränderung in der verlegerischen Leitung bewogen.“ Seltsam: Mag die Marktsituation schwierig wie lange nicht sein, mögen alle Verlage unter Umsatzrückgängen leiden: Barbara Laugwitz, die vorher bei Rowohlt die Taschenbuch-Abteilung leitete und Autoren wie Jan Weiler und Eckart von Hirschhausen an den Verlag gebunden hat, war mit einigen Büchern sehr erfolgreich. Zuletzt mit dem Einkauf und der geschwinden Veröffentlichung von Michael Wolffs Trump-Buch „Feuer und Zorn“. Oder ganz aktuell noch mit zwei Nummer-1-Titeln in den Bestsellerlisten, Carmen Korns „Zeitenwende“ in der Belletristik und von Hirschhausens „Die bessere Hälfte“.

Welche „unterschiedlichen Vorstellungen“ gab es da? So vage solche Formulierungen oft sein müssen, so unglücklich war Pfuhls weiteres Vorgehen, als er zum Beispiel sagte, dass man weiter in guten Gesprächen mit Laugwitz sei und es nie eine Verschwiegenheitsverpflichtung oder eine Kontaktsperre zu ihren Autoren gegeben habe. Das brachte die Autoren abermals auf, zudem ging Laugwitz beim Landgericht Berlin mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Äußerung vor. Bei Androhung einer hohen Geldstrafe wurde Jörg Pfuhl untersagt, bei der Kontaktsperre weiter von einem „Missverständnis“ zu sprechen. Die Verfügung ist allerdings bisher nicht rechtskräftig: Rowohlt hat Widerspruch eingelegt.

Über die wahren Gründe eines Arbeitszerwürfnisses wird auch bei anderen Unternehmen nicht öffentlich gesprochen, Informationen dringen nur spärlich nach außen. Aus juristischen Gründen. Auch Laugwitz schweigt, nicht zuletzt wegen Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht. Klar ist, der Laugwitz/Illies-Wechsel wurde ohne größere ökonomische Not vorgenommen, die Differenzen scheinen auch ins rein Persönliche zu spielen. Gewiss spielt das Genderthema eine Rolle, nicht zuletzt in Zeiten von MeToo.

Auch Elfriede Jelinek erregte sich

„Jetzt ist schon wieder eine Frau rausgekippt worden wie Abfall“, erregte sich die Rowohlt-Autorin Elfriede Jelinek. Ebenso mutmaßte auch die ehemalige Berlin-Verlags-Geschäftsführerin und Literaturagentin Elisabeth Ruge in einem Radio-Interview: „Ich denke, dass es sich vielleicht einfacher anfühlt oder auch einfacher ist, eine Frau vor die Tür zu setzen. Das haben wir halt immer wieder erlebt, dass es da weniger Respekt oder weniger Hochachtung gibt.“

Mann ersetzt Frau, noch dazu einer, der wie Illies keine Erfahrung im Buchgeschäft besitzt, und ein weiterer Mann sorgt für den Vollzug – ganz von der Hand zu weisen ist die Genderproblematik nicht. Ob das eher unglamouröse und sparsame Auftreten von Laugwitz in der Öffentlichkeit ein Grund für die Kündigung war? Müssen Verlegerinnen und Verleger das überhaupt sein, glamourös, Stars ihres Gewerbes? Wer weiß schon, wer dem Rowohlt-Schwester-Verlag S. Fischer vorsteht? Oder im Moment bei Suhrkamp das Sagen hat? Oder bei Dumont, dem Murakami-Houellebecq-und-Hennig-von-Lange-Verlag. Die beiden ersteren sind übrigens Männer, und auch diese Verlage arbeiten erfolgreich gegen die Krise an.

Auch ihr Nachfolger Florian Illies schweigt

Florian Illies mag aufgrund seiner Karriere als Autor („Generation Golf“, „1913“), als Gründer des Kunstmagazins „Monopol“ und der Berliner Seiten der „FAZ“ sowie als Geschäftsführer des Kunstauktionshauses Villa Grisebach um einiges schillernder sein als Barbara Laugwitz. Doch heißt es auch über ihn, dass er nur ungern Interviews gibt, geschweige denn in Talkshows auftritt. Seinen Start bei Rowohlt hat sich Illies bestimmt anders vorgestellt – auch er schweigt zu den Geschehnissen. Während seine Vorgängerin sich um ihre Bekanntheit keine Sorgen machen muss, sie vermutlich neue Jobangebote bekommt, muss Florian Illies sich nicht nur einarbeiten und die Eigenheiten des Buchgeschäfts kennenlernen, sondern auch Scherben zusammenkehren, den Laden zusammenhalten.

Er wird sicher neue Autorinnen und Autoren an den Rowohlt Verlag heranführen, die Kontakte hat er. Doch trotz des erwähnten Autoren-Egoismus ist es nicht unwahrscheinlich, dass so mancher Rowohlt den Rücken kehren wird, nicht weil er oder sie etwas gegen Illies hätte, sondern um Verlegerin Laugwitz zu ihrer nächsten Station zu folgen. Wie sagte Inger-Maria Mahlke bei der Buchpreis-Verleihung: Bücher sind keine Joghurts, sie befinden sich immer in einem fragilen Zustand. Umso wichtiger ist es da, dass die Verbindung der Autorinnen und Autoren zu ihrem Lektorat, zu ihren Verlegern und Verlegerinnen feste sind, vertraute, zuverlässige Beziehungen.

Die Frankfurter Buchmesse 2018 hat mit den Rowohlt-Turbulenzen jedenfalls eins ihrer Topthemen, nicht nur am Verlagsstand in Halle 3.1. Dort las am Mittwochmorgen erst mal Inger-Maria Mahlke.

Zur Startseite