Eröffnung des Ingeborg-Bachmann-Wettlesens: Warum wir Klagenfurt brauchen
Nie war Literatur und der Bachmann-Wettbewerb so notwendig wie heute - auch wenn gespart wird und die Feste um den Bachmann-Preis bescheidener ausfallen: Zur Eröffnung des 39. Klagenfurter Wettlesens.
Es scheint alles wie immer zu sein an diesem Eröffnungsabend des 39. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs in Klagenfurt. Der Garten vor dem ORF-Studio ist voller Menschen, die sich unterhalten und auf den Bänken sitzend darauf warten, dass die Eröffnung nach draußen auf die diversen Leinwände und Schirmwände übertragen wird (drinnen im Studio ist schon keine Platz mehr). Und es sind vor allem die gekommen, die immer kommen, die den Wettbewerb zu was schön familiärem machen.
Dort, der Mann mit der Brille, ist das nicht Vorjahressieger Tex Rubinowitz? Der ist zusammen mit Kathrin Passig und den „Riesenmaschine“-Bloggern seit Jahren Stammgast in Klagenfurt. Genauso wie der Klagenfurter Schriftsteller Josef Winkler, der den Glamour eines Georg-Büchner-Preisträger ausstrahlt (2008 bekam er den), aber zumeist ziemlich schreckliche rote oder rosafarbene Hosen trägt. Und auch der Philosoph Josef Mitterer ist wieder einmal gekommen, der legendäre „Schnapsprofessor“, der jetzt allerdings nicht mehr in Klagenfurt wohnt, sondern in Wien.
Es kommen härtere Tage für Klagenfurt
Dass doch nicht alles wie immer ist, ja, dass der Wettbewerb vor zwei Jahren ernsthaft auf der Kippe stand, weil der ORF nicht mehr recht wollte, das spürt man allerdings bei den Eröffnungsreden und Grußworten der Fernsehverantwortlichen und der Politiker aus der Stadt Klagenfurt und dem Land Kärnten. So inständig, wie die Bedeutung des Wettbewerbs gerade jenseits des Literaturbetriebs beschworen wird (Literatur, über allem, Vertreter der Sponsoren, die Simone de Beauvoir, Wolf Wondratschek und Ivan Alexandrowitsch Gontscharow lesen, wow!) wirkt irgendwie verdächtig, und zwischen den Zeilen mancher Verantwortlichen-Rede und mancher Formulierung von Moderator Christian Ankowitsch schwingt durch, dass über den Jubiläumswettbewerb im nächsten Jahr (40 Jahre!) wohl noch nicht abschließend entschieden ist - und über den Fortgang des „Bewerbs“, wie man hier sagt, überhaupt.
Maria-Luise Mathiaschitz, Bürgermeisterin von Klagenfurt, betont, „absolut hinter dem Bachmannpreis“ zu stehen. Und die Chefin vom ORF Kärnten, Karin Benrhard tut das ebenfalls irgendwie, verweist aber mit der Bachmann-Zeile „Es kommen härtere Tage“ (kommen die nicht immer?) auf den Spardruck gerade in Kärnten und orakelt: „Die Feste rund um den Bachmannpreis werden bescheidener ausfallen.“
Es gibt Leberwurst- und Frischkäse-Schnittchen
Und so ist es: Es gibt an diesem Abend nur Leberwurst- und Frischkäse-Schnittchen statt des opulenten Büffets wie sonst. Die aber sind lecker, nähren den Mann, die Frau. Doch dass gespart wird, merkt man an noch wichtigeren Positionen: Es gibt heuer nur vier statt fünf Preise, der Ernst-Willner-Preis ist gestrichen worden. Und für das Bühnenbild im Studio sorgt kein von außen engagierter Künstler mehr, sondern der ORF selbst. Es besteht aus weißen Leinwänden hinter der Jury und den Vortragenden.
Bei so viel platter Symbolik (weißes, noch leeres Blatt Papier, die Angst des Autors!), bei so einem Leersatz von Ingeborg Bachmann, der ebenfalls seitlich auf einer weiße Wand steht, „Ich weiß keine bessere Welt“, können die Texte der nächsten Tage eigentlich nur besser, wenn nicht gar Weltklasse werden.
Peter Wawerzinek und seine Klagenfurter Geburt als Schriftsteller
Gut, dass der Bachmann-Preissieger von 2010, der in Rostock geborene Berliner Schriftsteller Peter Wawerzinek zum Abschluss die Eröffnungsrede hält. Er spricht von seiner Klagenfurter Geburt als Schriftsteller, als berühmter Schriftsteller zumindest, ja und wie er die Welt der Literatur einst auf österreichischen Boden betrat, 1991 schon einmal da las er hier den Text „Moppel Schappik“ und bekam, wie das ihm Wolfgang Hilbig vorher unbedingt geraten hatte, sogar einen der Preise. (Nur mit dem Wörthersee hat er es nicht so, er braucht die dunkle, stürmische Ostsee!).
Wawerzinek macht einen Schnellgang durch sein Schriftstellerleben, und das macht er so launig und so unterhaltsam und so Wawerzinek-haft, dass allen ganz warm ums Bachmann-Herz wird. Man kann zwar kaum von einer „Rede zur Literatur“ sprechen, höchstens zur Wawerzinek-Literatur, aber Wawerzinek entlässt das Publikum mit der Gewissheit zu Bier, Schnittchen und Wein: Es wird alles noch gut und schön für den Bachmann-Wettbewerb, ganz sicher jedenfalls in diesem Jahr. In diesem Sinne: Read on!
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