Berliner Philharmoniker: Wahl des neuen Chefdirigenten bleibt ohne Ergebnis
Am Ende twittern die Philharmoniker es selbst: Die Wahl des neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker ist an diesem Montag ohne Ergebnis geblieben. Sie zog sich zunächst den ganzen Tag über elf Stunden hin.
Um 21.25 Uhr twittern die Berliner Philharmoniker es über ihren Account: "Die Wahl des neuen @BerlinPhil-Chefdirigenten ist ohne Ergebnis geblieben. Mehr dazu in Kürze." Elfeinhalb Stunden hatte es bis dahin gedauert: Klassik-Fans mussten an diesem Montag viel Geduld aufbringen für eine gewaltige Hänge- und Zitterpartie - die vergeblich war. Kurz vor 22 Uhr teilte Orchestervorstand Peter Riegelbauer mit, die Philharmoniker wollten innerhalb eines Jahres wieder zu einer Wahl Simon Rattles Nachfolger zusammenkommen. Bis dahin solle die interne Diskussion über die besten Kandidaten weitergeführt werden.
Den ganzen Tag hatte die Wahl des neuen Chefs der Berliner Philharmoniker sich hingezogen, seit 10 Uhr morgens hatte es mehrere Wahlgänge gegeben, offenbar ohne klares Votum. Zwar wurden die Journalisten am späten Vormittag gebeten, sich bis 14 Uhr vor der Jesus-Christus-Kirche in Dahlem einzufinden, wo die 124 wahlberechtigten Orchestermitglieder seit dem Morgen hinter verschlossenen Türen zur Abstimmung über die Nachfolge von Sir Simon Rattle ab 2018 versammelt sind. Dann hieß es, eine Entscheidung werde frühestens ab 16 Uhr verkündet, auch das wurde dann kurzzeitig revidiert. So zog der Nachmittag sich hin, seit 18.30 Uhr wird nun im Halbstundentakt um neue Geduld gebeten.
Die Nerven liegen blank: Erst hieß es, der Orchestervorstand werde über den Stand der Dinge informieren und entweder einen Namen verkünden oder eine Verschiebung der Wahl. Ab 19 Uhr war dann nur noch davon die Rede, dass die Assistentin der Pressesprecherin frühestens ab 20 Uhr Auskunft geben wird. So macht der hochprofessionelle Medienplayer "Berliner Philharmoniker" unprofessionelle Öffentlichkeitspolitik. Vor allem ringen die Philharmoniker offenbar um eine Entscheidung, dahinter stecken wahrscheinlich Richtungskämpfe. Vielleicht vertagt das Orchester sich nun bis in den Herbst.
Der Ort der Wahl war zunächst geheim gehalten worden. Ab dem Mittag warteten Dutzende Journalisten und Kamerateams vor der Kirche, die wegen ihrer hervorragenden Akustik dem Orchester Jahrzehnte lang als Aufnahmestudio für seine Einspielungen gedient hat. Bekannt ist bislang lediglich, dass es mehrere Wahlgänge gibt.
In der Öffentlichkeit waren zuletzt die Dirigenten Andris Nelsons, der aus Berlin stammende Christian Thielemann, außerdem Riccardo Chailly und Daniel Barenboim als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt worden. Viele vermuten, dass die Traditionalisten unter den Musikern sich eher für Thielemann stark machen, der ein Meister des romantischen Reportoires ist. Innovationsfreudigere hingegen würden für Nelsons plädieren. Vielleicht kam es darüber zum Streit - eine Mutmaßung. Details über das Procedere in der Dahlemer Kirche sind bislang nicht nach draußen gedrungen. Simon Rattle selber, der sein Amt 2002 angetreten hat, wird 2017 Chefdirigent des London Symphony Orchestra und will in seinem letzten Berliner Jahr zwischen den Städten pendeln.
Gewählt wird der siebte Chefdirigent der Berliner Philharmoniker seit ihrer Gründung 1882. Der Neue folgt auf Hans von Bülow, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan, Claudio Abbado und Simon Rattle. Vorab wird der Betreffende nicht gefragt, ob er denn auch annehmen würde, er muss sich sofort nach seiner geheimen Wahl entscheiden. Der Grund: Bei der Abstimmung um die Nachfolge von Herbert von Karajan hatte das vorherige Sondieren des Orchesters noch zu späteren Absagen von Gastauftritten unterlegener Dirigenten geführt. Damals war überraschend Claudio Abbado zum Chefdirigenten gewählt worden. Tsp
Mehr zu den Berliner Philharmonikern und den Kandidaten: www.tagesspiegel.de/berliner-philharmoniker
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