Bayreuth feuert Jonathan Meese: Wagner würde fluchen
Jonathan Meeses "Parsifal"-Inszenierung 2016 wäre sicher ein erfolgreicher Selbstläufer geworden. Jetzt hat Bayreuth den Skandal-Künstler vorsorglich geschasst, angeblich wegen Finanzierungsproblemen. Ein Eigentor?
Was würde Wagner fluchen über seine Festspiele, die mit Hinweis auf mögliche Budgetüberschreitungen Jonathan Meese, den „Parsifal“-Regisseur für 2016, vorsorglich geschasst haben. Kunst abzublasen, weil sie die Bilanzen gefährden könnte, ist ein Bayreuth völlig fremder Gedanke – hier, wo das Festspielhaus auf wüsten Pump entstand und später zur Stätte von heillosem Kultuspomp wurde.
„Finanzierungsprobleme hinsichtlich der bühnenbildnerischen und kostümlichen Gesamtausstattung“ hätten die Gesellschafter bewogen, sich von Meese zu trennen, heißt es vom Grünen Hügel. Das klingt so kleinkrämerisch wie klammheimlich erleichtert.
„Dass ich nach Bayreuth eingeladen worden bin, ist ein gutes Zeichen. Da ist alles voller Liebe, voller Kunst, das ist ein Machtzentrum“, hatte Meese vergangenes Jahr bei einem Symposium über die Zukunft der Oper in Berlin erklärt. „Selbst Hitler wurde in Bayreuth zum Kind. Auch Merkel wird dort entpolitisiert.“ Die Diktatur der Kunst, deren Herrschaft Meese gerne in schwarzer Trainingshose herbeiskandiert, schien zum Greifen nah.
Meeses Festspiel-Edition wäre gelaufen wie geschnitten Brot
Sommer 2016: Meese und Wagner Schulter an Schulter als Staatschefs des „ERZRECHTSFREIEN RAUMES ERZLAND“, wie der Künstler es in seiner Tirade „ERZRICHARD ERZWAGNER“ ausmalt. Manchem Leser rutscht bei solch eisernen Zeilen das Herz in die Hose. Einige fragen, ob das überhaupt erlaubt sei. Für einen Hitlergruß im Rahmen der Veranstaltung „Größenwahn der Kunst“ musste sich Meese vor Gericht verantworten. Er wurde freigesprochen, nun aber von anderer Instanz für schuldig befunden: So einer inszeniert uns nicht mit Steuergeldern!
Das fehlende Geld – eine Beruhigung für Spießerseelen. Meese, einer der wichtigsten und bestgehandelten Künstler der Gegenwart, hat längst herrlich poppige „Parsifal“-Bilder gemalt. Eine Festspiel-Edition wäre gelaufen wie geschnitten Brot. Und sein Bühnenbild, seine Kostüme? Alles Kunst! Alles meistbietend zu versteigern. Oder vorab per Anrechtsschein zu erwerben. Wie das geht, steht in jeder Wagner-Biografie. Was würde Erzrichard lachen!