Politisches Kabarett: W-LAN, endlich vegan
Kontra für die Politik: der kabarettistische Jahresrückblick im Mehringhoftheater.
Das Timing ist perfekt. Knapp eine Woche nach dem CDU-Parteitag feiert der Kabarettistische Jahresrückblick Premiere im Mehringhoftheater. Seit 1997 führt Angela Merkel in Gestalt von Christoph Jungmann durch das Programm. Deswegen schwant einem nichts Gutes, als plötzlich Merkel gemeinsam mit Friedrich Merz die winzige Bühne betritt. Hat die Kanzlerin auf einmal ihr Herz für Merz entdeckt? Christoph Jungmann, wie immer im pinkfarbenen Blazer und pfiffiger Föhnfrisur, gibt eine aufgekratzte Merkel und lobt den Kontrahenten: Während ein angespannter Hannes Heesch in grauem Einreiher darauf lauert, endlich das Wort zu ergreifen.
Ohne lange zu fackeln klärt er über die neue Mission von Merz auf. Mit einer zackigen Rede bewirbt er sich für die Moderation des Jahresrückblicks 2019: „Der Jahresrückblick braucht Aufbruch und Erneuerung! Die Zuschauerzahlen müssen um 40 Prozent gesteigert werden.“ Er habe schon Kontakt zu 16 Groß-Investoren aufgenommen, die in das weltoffene Theater investieren wollen. Seine Liebe zur Kleinkunst rührt daher, erzählt er, dass er als Schüler die Brettl-Gruppe „Die Merz-Gefallenen“ geleitet habe.
Nun ist das Mehringhoftheater mit seinem links-alternativen Publikum wie ein gallisches Dorf – auch diesmal wird der Versuch einer feindlichen Übernahme abgewehrt. Und Merkel kann die anfängliche Machtprobe für sich entscheiden. Das Jahresendzeitteam – Bov Bjerg, Horst Evers, Hannes Heesch, Manfred Maurenbrecher und eben Christoph Jungmann – blickt in seiner 21. Ausgabe auf ein Jahr des politischen Dauerstreits.
Telefonat mit Putin
Nachdem die Rivalitäten in der CDU satirisch aufgespießt sind, gibt es eine Live-Schalte zu den Genossen. Gerhard Schröder überlegt mit Peer Steinbrück und Franz Müntefering, wie die SPD zu retten sei. Alle drei Alt-Politiker werden von Hannes Heesch, dem Sozen-Versteher schlechthin, gespielt. „Eins ist glasklar“, meint Schröder. „Das kann nur ich! Ich habe schon mit Putin telefoniert und gefragt, ob es realistisch ist, dass ich Bundeskanzler werde.“ Auf Nachfrage gibt er zu, dass Putin Zugeständnisse verlangt: „Er will von mir die Insel Borkum.“ Münte kommentiert ziemlich gefasst: „Das gibt Krieg zwischen den Russen und den Ostfriesen.“
Auch der Eklat um die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang wird thematisiert. „Der Dialog zwischen uns und diesen jungen Leuten findet gar nicht mehr statt“, stellt Merkel fest. Und wendet sich mit einem Hip-Hop-Song an die neue Zielgruppe. Yo! MC Angela in krassem Outfit und mit Power-Moves ist der Hammer. „Komm in die Politik!“, ruft sie dem Nachwuchs zu.
Überhaupt sind die fünf diesmal ganz nah dran an der Jugend. „Seit meine Tochter ein Smartphone hat, ist die Kommunikation viel einfacher“, konstatiert Bov Bjerg. Die Tochter hat ihm einen YouTube-Chanel eingerichtet. Anfangs hat er nur Weck-Videos für sein Kind produziert, doch schon damit sammelte er Follower in aller Welt. Über die Frage, was hochwertiger Content ist, sind sich die beiden nicht einig. Bjerg möchte Kindern die Welt erklären – seine Tochter will nur die Peinlichkeiten des Papas ins Netz stellen. Egal. „Ich bin Top-Influencer und muss mich nicht mal schminken“, freut sich Bjerg.
Manfred Maurenbrecher steuert einen wütenden Song über „Reichsbürger mit Beamtenpension“ bei. Und verabschiedete nach 18 Jahren den „Lichtenberger“, den sozialistischen Rentner, der immer wieder mit seiner Dialektik verblüffte. In der letzten musikalischen Erzählung mausert sich der standhafte Altlinke fast zum Philosophen. Erinnert wird auch an die Flitterwochen zwischen Trump und Kim Jong-un. Horst Evers mit Gesichtsmuskeldisziplin und Heesch singen eine Coverversion von „Ring Of Fire“. Brisant ist auch Trumps nicht ganz uneigennütziger Vorschlag, auf der Dauerbaustelle des BER die nordkoreanische Botschaft zu errichten – wo dann auch nordkoreanische Brandschutzbestimmungen gelten und missliebige Gegner wie Robert Mueller festgehalten werden können.
Auftritt Jogi Löw. Bov Bjerg erklärt mit badensischer Bedächtigkeit, was die deutsche Mannschaft unternimmt, um die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. „Das Zauberwort heißt: Stressresistenz!“ Löw hat seine Trainingsmethoden verfeinert und verordnet den Spielern nun „Waldbaden“. Horst Seehofer übt sich in sinnfreiem Assoziieren: von 69 Maß (Bier) zu Maaßen (Hans-Georg) und Mutter (aller Probleme). Bei dem Song über „veganes W-LAN" trällert auch Annegret Kramp-Karrenbauer mit. Drohende Diesel-Fahrverbote – und die Befürchtung der BVG, dass alle auf den Nahverkehr ausweichen: Horst Evers konstatiert eine tiefsitzende Angst der Berliner, dass etwas funktionieren könnte. Scherz (ohne Merz), Satire und Ironie, Absurdität und Albernheit: Das Jahresendzeitteam ist in Bestform. Mehringhoftheater: bis 6.1., 16 und 20 Uhr; Schiller Theater: 9. - 13.1., 20 Uhr; am 12./13.1. auch 16 Uhr
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