Berlin und seine Kulturbaustellen: Vorübergehend geschlossen
Zehn Musentempel sind oder werden in Berlin für die Öffentlichkeit gesperrt. Nicht immer gibt es einen Termin für die Wiedereröffnung. Betroffen ist vor allem die Kunst der Moderne. Eine etwas andere Stadttour.
Staatsoper
Geschlossen seit Juni 2010
Kein Termin für die Wiedereröffnung
Berlins berühmteste Kulturbaustelle steuert auf die 300-Millionen-Euro-Marke zu, wobei der Bund die meisten Kosten trägt. 2010 zogen Barenboim, Flimm und Co. ins Interimsquartier im Schillertheater; 2013 wollte man wieder Unter den Linden sein. Inzwischen ist es wie beim BER: Senatsbaudirektorin Regula Lüscher nennt noch nicht mal einen Termin für die Bekanntgabe eines Termins zur Wiedereröffnung. Kostenexplosion, schlechtes Krisenmanagement, Kommunikationspannen: „Hätten wir damals gesagt, wir machen erst ein Jahr nach dem Auszug eine genaue Zeitplanung, dann, wenn wir wissen, was alles marode ist, hätte das niemand akzeptiert“, sagte Lüscher kürzlich im Tagesspiegel. Man wusste, wie’s richtig wäre, aber das eigene Image ging vor. Gegen solche Wackelpartien ist die Stabilisierung des Bühnenturms ein Klacks. (chp)
Kunstgewerbemuseum
Geschlossen seit Januar 2012
Wiederöffnung im Herbst, ohne Termin
Im Kunstgewerbemuseum hat Geduld Tradition. Architekt Rolf Gutbrod wurde 1966 mit der Planung beauftragt, es dauerte fast 20 Jahre, bis das Haus am Kulturforum 1985 eröffnete. Es beherbergt unter anderem eine kostbare Kostümsammlung, die legendären Röntgen-Möbel und Design-Ikonen des 20. Jahrhunderts. Den nächsten Wettbewerb für einen voraussichtlich 4,4 Millionen Euro teuren Umbau samt „grundlegender Neuordnung der Sammlungspräsentation“ gewann 2003 das Berliner Architekturbüro Kuehn Malvezzi. Doch erst 2012 schloss das Museum seine Pforten für die Realisierung des Umbaus. Öffnen sollten sie sich wieder in der ersten Hälfte dieses Jahres, doch das ist nicht geschehen. Nun soll es Herbst werden... (cmx)
Friedrichswerdersche Kirche
Geschlossen seit Oktober 2012
Kein Termin für die Wiedereröffnung
Schinkels Friedrichswerdersche Kirche ist seit Oktober 2012 für Besucher gesperrt. Die Staatlichen Museen, die den neogotischen Backsteinbau als Dependance der Alten Nationalgalerie nutzten, mussten die dort gezeigten Skulpturen des frühen 19. Jahrhunderts auslagern, viele davon ins Depot. Beim Ausheben der Baugrube für die benachbarten Kronprinzengärten, einer Luxuswohnanlage der Bauwert Investment Group, hatten sich im Kircheninneren Risse gebildet, Putz fiel von der Decke. Ob und wann die Skulpturen zurückkehren dürfen, kann die Stiftung Preußischer Kulturbesitz derzeit nicht sagen. Nach der Sicherung des Kirchenfundaments auf Kosten des Investors wird nun weitergebaut an den Apartmenthäusern, Anfang 2016 sollen sie bezugsfertig sein. Die mit bis zu 17000 Euro pro Quadratmeter teuren Wohnungen werden mit dem Slogan „Wo Berlins historisches Herz schlägt“ beworben. Was Schinkel sagen würde zu so viel geklontem Klassizismus? (zaj)
Berggruen Museum, Anbau
Geschlossen seit November 2013
Wiedereröffnung im Herbst, ohne Termin
Für Dieter Roth wären es optimale Bedingungen. Der Aktionskünstler liebte den Geruch von Schimmel und das klebrige Gefühl unter den Füßen seines vor Feuchtigkeit strotzenden Hamburger Mini-Museums. Im Museum Berggruen pflegt man ein etwas anderes Verhältnis zum grüngrau blühenden Teppich: Hier herrscht Schimmelalarm im Erweiterungsbau, weil beim Umbau des historischen Kommandantenhauses gepfuscht wurde. Deshalb musste das Dach wieder runter. Die Bilderschätze von Paul Klee mussten ihr neues Refugium wieder verlassen, bevor sie heimisch werden konnten. Dabei hatte das Museum gerade erst zwei Jahre geschlossen, war im März 2013 mit Pomp wiedereröffnet worden – und sein Anbau nach nur einem halben Jahr erneut verrammelt. Wer zu Klee will, der muss nun in die Sammlung Scharf-Gerstenberg gegenüber gehen: Sie gewährt den Werken Asyl. Mindestens bis zum Herbst, dann soll das Haus staubtrocken sein. (cmx)
Deutsche Oper, Konzerthaus und Berlinische Galerie.
Deutsche Oper
Geschlossen seit Mai 2014
Wiedereröffnung am 27. November
Auf eine „Auswärtssaison“ hat sich die Deutsche Oper eingestellt. Sie dauert keine ganze Spielzeit, doch im Stammhaus wird sich erst Ende November wieder der Vorhang heben – wenn die komplizierten Bauvorhaben wie geplant fertig werden. Die Obermaschinerie des Hauses aus dem Eröffnungsjahr 1961 muss ausgebaut und ersetzt werden. An ihr hängt alles, was sich vom Theaterhimmel auf die Bühne senkt. Ohne sie geht gar nichts. 20 Millionen Euro stellt der Senat für die Ertüchtigung zur Verfügung. Sein dreimonatiges Auswärtsspiel führt das Ensemble an abwechslungsreiche Orte: Open Air in die Waldbühne und auf das Parkdeck des Hauses, in die eigene Tischlerei, die Philharmonie, das Tempodrom, das Haus der Berliner Festspiele und auf Gastspielreisen nach London und ins Royal Opera House im Oman. Ab dem 27. November wird dann wieder im eigenen Saal gespielt, zunächst Repertoire, um sich mit der neuen Bühnentechnik vertraut zu machen. Als erste Premiere ist am 25. Januar 2015 Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ annonciert. (UA)
Konzerthaus
Seit 30. Juni geschlossen
Wiedereröffnung am 10. Oktober
Zum ersten Mal ist das Konzerthaus am Gendarmenmarkt für längere Zeit im Sommer geschlossen. Die Bühne des Großen Saals, die seit der Wiedereröffnung 1984 in Betrieb ist, wird von Juli bis September erneuert. Dabei entsteht die Hubpodienanlage neu. Künftig soll die Bühnenfläche in 34 Podest-Ebenen gegliedert sein und komplett auf Saalniveau fahren können. Die Kosten: 2,5 Millionen Euro. Das Konzerthaus verspricht sich davon schnellere Umbauten und mehr Flexibilität. Am 10. Oktober eröffnet das Konzerthausorchester mit dem Pianisten Arcadi Volodos, dem Artist in Residence 2014/15, die neue Saison. Bis dahin sind die Musiker unterwegs: beim Choriner Musiksommer, bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern und beim Musikfest Berlin in der Philharmonie. Besucher können auch während der Schließzeit über die Freitreppe einen Blick in den Großen Saal werfen und an Baustellenführungen teilnehmen. (UA)
Berlinische Galerie
Geschlossen seit 1. Juli
Wiedereröffnung im Frühjahr 2015
Eine Routinekontrolle im letzten Herbst brachte es an den Tag. Das Brandschutzsystem der Berlinischen Galerie war marode. Nach zehn Jahren im ehemaligen Kreuzberger Glaslager muss die Sprinkleranlage nachgerüstet werden, eine gute Gelegenheit, die Lautsprecherkabel gleich mit zu erneuern. Kosten für das Land: circa 5 Millionen Euro. Direktor Thomas Köhler trägt die Schließung seit 1. Juli mit Fassung, denn die Sammlung muss nicht ausquartiert werden. Im Frühjahr 2015 soll wiedereröffnet werden, rechtzeitig zum 40. Geburtstag des Landesmuseums für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur. Wie alle geschlossenen Häuser, die nicht in Vergessenheit geraten wollen, bietet die Galerie ein Alternativprogramm. Unter dem Titel „Neue Wege der Kunstvermittlung“ treibt das Museum sein Projekt Urban Gardening voran: Die Gärten vor den Toren des Museums werden um Gemeinschaftsbeete für die Nachbarschaft erweitert. Ein Gewächs ganz eigener Art wird das sogenannte Küchenmonument, eine soziale Skulptur in Form einer Blase, die auf dem Vorplatz des Museums vier Mal für Veranstaltungen aufgepumpt wird (28.8., 15. und 17.9. sowie 2.10.). Das Werk der Berliner Gruppe Raumlabor und Plastique fantastique machte bereits in Liverpool, Utrecht und Venedig Station. Aus dem Inneren der Blase können dann die besten Zukunftsideen entweichen,vielleicht ja auch für die Baustellen der Kulturhauptstadt. (NK)
Akademie der Künste, Pergamonmuseum und Neue Nationalgalerie.
Akademie der Künste
Teilschließung Pariser Platz seit Mitte Juli
Wiedereröffnung im Frühjahr 2016
Im Moment gehen nur Ausstellungen im Foyer und Veranstaltungen im Plenarsaal; die Ausstellungssäle können nicht bespielt werden. Der Grund: die Teilsanierung des Günter-Behnisch-Baus am Pariser Platz. Seit der Eröffnung 2005 funktionierte die Klimaanlage nicht richtig, nun wird sie für rund 9 Millionen Euro ertüchtigt. Gebaut wird ab Mitte September, ab Frühjahr 2016 wird dann die richtige Temperatur herrschen. In den Sälen, in denen licht- und feuchtigkeitsempfindliche Objekte bisher zum Teil nur in Sondervitrinen gezeigt wurden, und in den vier Untergeschossen, in denen endlich die Archive und die Bibliothek untergebracht werden können. Die Akademie wird vom Bund finanziert, Bauherr ist jedoch das Land Berlin als Eigentümer des Hauses. Zum Glück gibt es noch den zweiten, älteren Standort der Akademie am Hanseatenweg. Dort eröffnet im September die Ausstellung „Schwindel der Wirklichkeit“ – bezeichnender Titel. Auch die jüngste Aktion von Akademie-Präsident Klaus Staeck passt zur Kulturbaustellensaison. Unter dem Motto „Die Kunst findet nicht im Saale statt“ zeigt er zehn seiner politischen Plakate auf 300 Litfaßsäulen in zentralen Bezirken Berlins. Drei Wochen lang, ab 7. August. (chp)
Pergamonmuseum
Teilschließung ab Ende September
Wiedereröffnung nicht vor 2019
Das Pergamonmuseum mit seinen antiken Schätzen steht seit 1930 auf der Museumsinsel; es ersetzte dort ein Gebäude, das der Berlins Ausgrabungswut im späten 19. Jahrhundert nicht gewachsen war. Die Friesplatten des Pergamonaltars wogen zu viel, das Fundament bekam Risse. Heute summieren sich zu diesen schwergewichtigen Funden noch zahllose Besucher, die täglich die Räume füllen. Nach über 80 Jahren braucht dieses Haus etwas Ruhe. Und wie das so ist, wenn man in Dekaden rechnet, fällt auch die Pause etwas länger aus. Ende September schließt der Saal mit dem Altar, voraussichtlich bis 2019. Saniert wird nach den Plänen des Architekturbüros Ungers, wobei der Südflügel mit dem Ischtar-Tor, der Prozessionsstraße und dem Markttor von Milet sowie das Museum für Islamische Kunst geöffnet bleiben. Allerdings fällt bald auch der Aufzug aus, heißt es. Also schnell nochmal hin, bevor die Helden und Monster auf dem Pergamonfries ein paar Jahre unter sich bleiben. Und bevor die bislang veranschlagten Kosten, 385 Millionen Euro, weiter in die Höhe schnellen. (cmx)
Neue Nationalgalerie
Geschlossen ab Jahresende
Wiedereröffnung frühestens 2018
Noch mehr Moderne, die neben den Schätzen der Berlinischen Galerie eine geraume Zeit lang aus der Öffentlichkei verschwindet. Das Haus mit der luftigen Stahl-Glas-Konstruktion, das seine Kunstschätze unter der Erde beherbergt und Otto Pienes nächtlicher Licht- und Farbrauschinstallation diesen Sommer so richtig zur Geltung kommt, macht mindestens drei Jahre dicht, vielleicht vier. Die Ikone der Moderne, 1968 von Ludwig Mies van der Rohe gebaut, ist marode: Der britische Stararchitekt David Chipperfield soll von der Fassade bis zur Haustechnik alles genau so sanieren, dass es am Ende so aussieht wie jetzt. Baustart ist 2015, die erste Tranche für die Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ist vom Bund bewilligt. Zwar wandert die Sammlung der Neuen Nationalgalerie so lange in den Hamburger Bahnhof, der aber ähnlich wie der Mies-Bau ein Platzproblem hat. Mehr Platz in Berlin für die Klassische Moderne und Gegenwartskunst! Die Schließung bringt für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Vorteil mit sich, dass der schmerzliche Mangel noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Und mit ihm das Kulturforum, der ewige Zankapfel. Im Streit um die Museumsrochade und eine mögliche Erweiterung der Neuen Nationalgalerie gewinnen Berlins oberste Museumshüter ein wenig Luft. (cmx)