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Aufriss in der Staatsoper: Hier wird gebaut
© Tsp

Berlin-Mitte: Chaos-Baustelle Staatsoper wird nicht fertig

Das Debakel erinnert an den BER: Die Staatsoper sollte längst saniert sein. Doch am Mittwoch verschob die Senatsbaudirektorin erneut den Termin, an dem sie den Fertigstellungstermin verkündet. Es kommen ständig neue Probleme hinzu.

Das Erdreich tut sich auf an der Staatsoper Unter den Linden – und vielleicht hat sich einer derjenigen, die für diese Chaosbaustelle verantwortlich sind schon einmal gewünscht, er könne darin verschwinden. Dass die Sanierung des klassizistischen Baus im kommenden Jahr fertig werden könnte, glaubt längst niemand mehr. Ursprünglich hätte er bereits im vergangenen Jahr eröffnen sollen. Nun verschob die Senatsbaudirektorin erneut einen Termin, den Termin, an dem sie einen neuen Termin verkünden will: Wann das Projekt tatsächlich fertig gestellt werden könnte – und wie viele dutzende Millionen Euro mehr es kosten wird. Zuletzt genannt wurden 300 Millionen Euro.

„Wir sind weiter als am Flughafen, immerhin hat Frau Lüscher einen Termin genannt, an dem sie einen Termin nennt“, sagte der stellvertretende CDU-Fraktionschef Stefan Evers. Mit gelben Gummistiefeln und einem blauen Bauarbeiterhelm bewehrt, schob er sich mit mehreren Dutzend Abgeordneten der zwei Ausschüsse für Kultur und für Bauen, die für die Staatsoper zuständig sind , durch die teils noch bis auf die Klinkersteine entkernte Probenbühne. Macbeth wird hier schon mal gespielt und auch Konzerte wird es geben, kündigte Lüscher an – natürlich nur, wenn es die Arbeiten nicht beeinträchtigt.

Die wichtigste Aufgabe ist noch immer nicht gelöst

Die sind ohnehin kompliziert genug und ständig kommen neue Probleme hinzu. Die wichtigste Aufgabe ist immer noch nicht gelöst: Der gewaltige Bühnturm des Opernhauses, an dem die Kulissen an aufwendiger Technik aufgehängt sind, muss stabilisiert werden. Bereits ein Gutachten aus dem Jahr 2000 soll auf die damit verbundenen Schwierigkeiten hingewiesen haben, und mit diesen sehen sich Bauleute nun konfrontiert. Auch beim Rohbau ist noch so manches im Argen. Der Tunnel, der die Probebühne unter dem Straßenland mit dem Opernhaus über mehrere hundert Meter verbinden soll, ist noch lange nicht fertig: Riesige Baugruben tun sich dort mitten in der Stadt auf.

Jemand, der sich zutraut einen ungefähren Termin für die Fertigstellung zu nennen, ist die kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Sabine Bangert: „Spät im Jahr 2016, vielleicht aber erst 2017.“ Ihre Rechnung geht so: Wenn die Sanierungsarbeiten beendet sind, braucht es weitere 14 Monate für die Einrichtung des Opernhauses für den Spielbetrieb. Aber die vorangehenden Bau und Sanierungsarbeiten sind noch lange nicht beendet.

Immerhin ist das Dach des Opernhauses, das um mehrere Meter angehoben wurde, nun wieder dicht. Zwischen den rostschutzroten Stahlträgern hangeln sich Lackierer in weißen Schutzanzügen, mit Atemschutz-Masken bewehrt und sprühen Farbe auf das Metall. Später soll hier vor der Wand eine Spezialkonstruktion aus gegossener Keramik mit Glasfaserverstärkung angebracht werden. Das soll die Akustik verbessern und ist der einzige neue Bauteil, dessen Anbringung die Denkmalschützer zustimmten.

Auch bei der Bühnentechnik müssen Spezialisten ran

Es ist aber außerdem eine so spezielle Konstruktion, die nur wenige Hersteller liefern können und dieser Auftrag ist noch nicht einmal ausgeschrieben. Ähnliches gilt für die aufwendige Bühnentechnik. Auch hier müssen gut beschäftigte und bezahlte Spezialisten ran. Ob die kurzfristig für kleines Geld für die Berliner Pannenoper zur Verfügung stehen?

Auf dem Weg zum Rohbau der Probebühne steht ein Flügel, notdürftig mit Plastikplanen abgedeckt, vor einer betongrauen Wand. Ränge aus Holz sind in dem Raum mit den herausgerissenen Decken und bis auf die Steine freigelegten Mauern aufgebaut. In der Ecke stehen Notenständer, Trommeln und Masken von Ungeheuern, neben einer Pfütze und einem kleinen Hügel Bausand – als ob die Kultur den Schrecken der ewigen Baustelle bannen könnte.

Denn die Liste der schlechten Meldungen ist lang: Zuletzt meldete der Tagesspiegel im Februar die Insolvenz eines der wichtigsten Ingenieurbüros des Sanierungsvorhabens. Dass die Pleite das Projekt zurückwirft, bestätigte die Senatsbaudirektorin nun erneut. Wie viele Monate verloren gehen, ist nicht zu erfahren.

Das Chaos war bereits beim Startschuss programmiert: Gegen den Rat von Experten war der Zeitplan von fünf Jahren auf drei verkürzt worden. Demnach hätte die Staatsoper bereits im vergangenen Jahr wieder öffnen können – aber zurzeit rechnet kaum noch jemand mit einer Eröffnung nach der später auf fünf Jahre wieder korrigierten Bauzeit. Der letzte verbindliche Termin, den Bauherren-Vertreterin Regula Lüscher genannt hatte, war eine Fertigstellung im Oktober 2015. Doch an dem glaubt der Senat längst nicht mehr nach dem abrupten Ausstieg der Projektsteuerungsfirma vor zwei Jahren und der Insolvenz des Ingenieurbüros im vergangenen Jahr.

Ralf Schönball

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