Ortrud Westheider leitet das Palais Barberini in Potsdam: Von der Elbe an die Havel
Ende des Monats wird Ortrud Westheider als neue Leiterin des Potsdamer Palais Barberini vorgestellt. Software-Unternehmer Hasso Plattner wird hier seine Sammlung präsentieren.
Noch müssen Besucher Sicherheitsschuhe und Helme tragen, wenn sie den rekonstruierten Palais Barberini betreten wollen. Die Baustelle ist in ihren letzten Zügen, Leitungen werden noch verlegt, der Boden versiegelt. Ortrud Westheider bleibt deshalb auf dem Alten Markt in Potsdam stehen, um ihre neue Wirkungsstätte zu betrachten. Hinter der barocken Fassade wird der Berliner Software-Milliardär Hasso Plattner in einem gänzlich neu errichteten Bau ab Januar 2017 seine Kollektion präsentieren, hier sollen ambitionierte Ausstellungen zu sehen sein. Die Regie dabei hat dann die zierliche Norddeutsche. Die Aufgabenverteilung ist klar: Plattner sammelt, Westheider präsentiert.
Gerade zwei Wochen ist die neue Direktorin des künftigen Museum Barberini im Amt. Ende des Monats will Plattner sie offiziell vorstellen. Doch schon jetzt macht die aus Hamburg importierte Kunsthistorikerin Antrittsbesuche beim Bürgermeister, schaut sie bei der Kollegin im benachbarten Filmmuseum herein. Während Westheider auf Details der noch von Baucontainern verstellten Front verweist und von der dahinter liegenden Havel, überhaupt der gesamten Anlage, als einem der schönsten Plätze Europas schwärmt, tritt vom benachbarten Potsdam Museum eine Kuratorin heran, um sich für die von der Baustelle bereitgestellte Stromverbindung zu bedanken. Kurze Verwirrung, dann Strahlen: Ach so, dann auf gute Nachbarschaft!
Für Ortrud Westheider ist es der große Sprung. 14 Jahre, seit der Gründung, hat sie für das Bucerius-Forum in Hamburg gearbeitet, davon die letzten zehn als künstlerische Leiterin. Die Beckmann-Expertin hat die am Rathausmarkt der Hansestadt gelegene Institution mit Ausstellungen zu Frida Kahlo, William Turner, Marc Chagall und Gerhard Richter zu einer festen Adresse gemacht gleich nach der Kunsthalle und dem Museum für Kunst und Gewerbe. Allein im vergangenen Jahr kamen 215 000 Besucher.
„Ich hätte mir durchaus vorstellen können, mein ganzes weiteres berufliches Leben in Hamburg zu verbringen“, sagt die 51-Jährige. Mit dem Team im Haus, mit der Verbindung zur Zeit-Stiftung, Trägerin des Bucerius-Forums, lief es perfekt. Doch dann kam die Anfrage aus Potsdam, der sie nicht widerstehen konnte.
Geholt wurde sie wegen ihrer ausgezeichneten Kontakte
Der für Ortrud Westheider selbst überraschende Wechsel von der Elbe an die Havel passt trotzdem haargenau. Beide Häuser sind gemeinnützige GmbHs, beide haben Förderstiftungen als Träger, beide befinden sich im Verbund mit einer Universität. In Hamburg ist es die Bucerius-Law-School, in Potsdam das Hasso- Plattner-Institut für Software-Engineering. So liegt es auch nahe, dass Westheider bestimmte Modelle ihrer kuratorischen Arbeit überträgt.
Geholt wurde sie wegen ihrer ausgezeichneten Kontakte in die Museumswelt. Die stets den publikumsträchtigen Größen der Kunstgeschichte gewidmeten Hamburger Ausstellungen kamen jeweils allein auf der Basis von Leihgaben zustande. Anders als Plattners Museum besitzt das Bucerius-Forum keine eigene Sammlung, aus der man Gegenofferten machen könnte. Zugpferd waren deshalb die mit internationalen Experten besetzten Symposien, mit denen ein Dreivierteljahr zuvor die Ausstellungen vorbereitet wurden.
„Ausstellungen machen, heißt nicht nur, Bilder zu transportieren. Es kommt darauf an, dass man wirklich etwas Neues zeigt,“ so Westheider. „Bei aller Popularität darf man die Wissenschaft nicht aus dem Auge verlieren.“ Symposien soll es fortan auch in Potsdam geben. Dabei wird Kompetenz komprimiert, sie ermöglichen erst die rasche Aufeinanderfolge von drei Ausstellungen im Jahr, wie sie am neuen Ort geplant sind. Allerdings gilt es nun 2200 statt nur 860 Quadratmeter zu bespielen.
Die noch aktuell in Hamburg laufende Picasso-Schau, mit der sich Ortrud Westheider aus dem Norden verabschiedet, zeigt paradigmatisch das Konzept. In dem weidlich ausgeforschten Werk des Künstlers entdeckte die Kunsthistorikerin doch noch Neues: nämlich eine auffällige Wiederkehr des Fenstermotivs. Die befreundete Malerin Esther Horn hatte sie auf ein Frühwerk Picassos aufmerksam gemacht, in dem ein Fenster zugleich als aufgespannte Leinwand gesehen werden kann.
Aus einem Detail entwickelt sie das große Ganze
Das Bild als Fenster zur Welt deutet sich hier an. Bei der weiteren Beschäftigung stellte sich heraus, dass an Wendepunkten im Schaffen des Künstlers das Motiv des Fensters immer wieder vorkam. Damit stand auch schon das Konzept, und die Westheidersche Formel ging wieder auf: aus einem Detail das große Ganze zu entwickeln und zugleich als Geschichte zu erzählen. Am Potsdamer Museum Barberini wird sie diese Geschichten fortan aus dem Bestand der Sammlung entwickeln.
In der brandenburgischen Landeshauptstadt sind die ersten Schritte schon getan. Ortrud Westheiders Vorgänger Peter Joch, der als Gründungsdirektor vor einem Jahr das Museum Barberini überraschend verließ, hat bereits eine Impressionisten-Ausstellung angeschoben, internationale Leihverhandlungen geführt. Ausgangspunkt der Themenschau zum Naturverständnis der Moderne ist natürlich die eigene Kollektion Plattners. Am 23. Januar 2017 eröffnet damit das Haus offiziell, und wird dann mit Werken von Monet, Renoir, Caillebotte prunken.
Aber auch Ausschnitte der weiteren Sammlungsschwerpunkte sollen zu sehen sein, die amerikanische Moderne und die Kunst der ehemaligen DDR. Dem Maler und Bildhauer Wolfgang Mattheuer wird dann eine monografische Präsentation gewidmet sein. Sein symbolbeladener „Jahrhundertschritt“, von dem Plattner mit fünf Metern Höhe die größte der insgesamt sechs Bronzeversionen besitzt, wird bereits in diesem Sommer im Garten des Museums Aufstellung finden. Ortrud Westheider wird dann aus ihrem neuen Büro darauf blicken – in der Gewissheit, zumindest für sich selbst den richtigen Schritt getan zu haben.
Die Picasso-Schau im Bucerius-Forum Hamburg ist noch bis zum 16. Mai zu sehen. Katalog (Hirmer Verlag) 29 €.
Nicola Kuhn
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