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Nationalfilmheiliger. In seiner Heimat Polen ist Andrzej Wajda hoch geschätzt.
© Claudio Onorati/e/dpa

Regisseur Andrzej Wajda zum 90.: Verehrt wie Karol Wojtyla

Den Mächtigen ein Ärgernis: Der große polnische Filmemacher Andrzej Wajda wird 90 Jahre alt.

Die Goldene Palme von Cannes gewann er schon 1981 (für „Der Mann aus Eisen“ über die Anfänge der Solidarnocz-Bewegung). Venedig schmückte ihn 1998 mit einem Ehrenlöwen, und bevor 2006 ein Ehrenbär der Berlinale hinterhertrottete, gab’s 2000 den Oscar für das Lebenswerk. Und im selben Jahr, auch das verzeichnen die Annalen getreulich, die Ehrenbürgerwürde von Gdynia. Das war nur logisch – hatte Andrzej Wajda doch nicht nur in der nordpolnischen Stadt seine Nebenkarriere als Theaterregisseur begonnen, sondern im „Mann aus Eisen“ den streikenden Hafenarbeitern von 1970 ein filmisches Denkmal gesetzt.

Auch in der Leninwerft im zehn Kilometer südlich gelegenen Danzig rebellierten damals die Arbeiter. Und so scheint es nicht eben abwegig, dass man in diesen Wochen, spät genug, hier nun Wajda ebenfalls zum Ehrenbürger machen will – zumal der weltberühmte Filmemacher dem weltberühmtem Leninwerft-Arbeiterführer Lech Walesa 2013 ein cineastisches Spätwerk gewidmet hat. Allein, die neue Regierungspartei PiS, am Ort zwar nur in der Opposition, ist dagegen. Erstens, weil Wajda vor den letzten Wahlen nicht die rechte Sammlungsbewegung um Jaroslaw Kaczynski unterstützt hatte. Vor allem aber, weil er seit deren Sieg demonstrativ auf der Seite der neuen Protestbewegung steht.

Nun streitet das Stadträtchen, und Andrzej Wajda, der fast Nationalheilige, der mit seiner Kanonisierung als „Nationalfilmregisseur“ charmant zu hadern versteht, ist mit nunmehr stattlichen 90 Jahren erneut ein öffentliches Ärgernis. Wie 1981, als die polnische KP mit der Verhängung des Kriegsrechts den Freiheitswillen des Volkes zu ersticken suchte – aber da hatten, nur ein Beispiel, bereits fünf Millionen Polen binnen Wochen „Der Mann aus Eisen“ im Kino gesehen. Zur Strafe überzogen die Parteioberen Wajda mit einem Berufsverbot, dem er sich allerdings durch Filmprojekte im Ausland („Danton“, „Eine Liebe in Deutschland“) entzog.

Seine Filme feiern die polnische Unbeugsamkeit

Schon früh feierten Wajdas Filme, auch inmitten der Strukturen eines kommunistischen Vasallenstaats, die polnische Unbeugsamkeit. Erst nahezu neorealistisch, später eher monumental, sind sie durchweg als Zeugnisse nationaler Selbstbehauptungskraft zu verstehen. Das Debüt „Eine Generation“ des Absolventen der Filmschule von Lodz und sein erster internationaler Erfolg, „Der Kanal“ (1957), erzählen vom Widerstand gegen die deutschen Besatzer; und in „Asche und Diamant“ geht es, kaum ist der Zweite Weltkrieg vorbei, bereits gegen die Kommunisten, die sich das Land unterjochen.

Nach den Arbeiter(anti-)heldenfilmen „Der Mann aus Marmor“ und „Der Mann aus Eisen“ rührte Wajda in „Die Karwoche“ an das Tabu des polnischen Antisemitismus, und in seinem wuchtigsten Werk, „Katyn“ (2007), prangert er das Massaker der Sowjets 1940 an Tausenden von polnischen Offizieren an, dem auch sein eigener Vater zum Opfer fiel. Jahrzehntelang hatte die Sowjetunion die Deutschen dieses Mordes bezichtigt, und wer es besser wusste in Polen, musste schweigen. Erst Gorbatschow machte 1990 Schluss mit der Katyn-Lüge.

So ist Andrzej Wajda eine Instanz geworden, eine Referenz- und Reverenzfigur, verehrt wie zuletzt allenfalls der unerschrocken parteikritische Kardinal Karol Wojtyla, der später Papst wurde. Und zugleich ein Kosmopolit, ein Intellektueller und ein Moralist. Bei einer Begegnung vor Jahren in seinem Häuschen im Warschauer Viertel Zoliborz zeigte er sich fast beschämt über den Vergleich mit dem Nationaldichter Adam Mickiewicz, nach dessen Versepos „Pan Tadeusz“ er 1999 einen an den Kinokassen extrem erfolgreichen Film gedreht hatte. „Er träumte davon, dass das polnische Volk sich mit der Intelligenz verbündet“, sagte Wajda – und es klang wie ein nur leicht melancholisch eingefärbtes eigenes Programm.

„Sein Motiv ist Polen, seine Perspektive Europa, und seine Energie heißt Widerstand“, schrieb der unvergessene Filmkritiker Peter W. Jansen in dieser Zeitung zum 80. Andrzej Wajdas. Etwas hinzuzufügen? Polen und Europa hatten zwei starke Jahrzehnte, doch schon wieder braucht es bewahrende Widerstandsenergie, mehr denn je.

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